Dienstag, 15. Februar 2011

1978

Während Heinz bei der Armee diente erging es Horschi noch schlechter. Er hatte seit seiner Lehrzeit bei Hentschels gewohnt. Das machte er auch noch nach der Lehre. Schließlich war er ein Kollege von Heinz. Beide arbeiteten in der gleichen Tabakfabrik. So manches Mal hatte auch er uns Zigaretten versorgt. Aber eines Tages hatten sie ihn erwischt wie er eine größere Menge Glimmstengel aus der Firma schmuggeln wollte. Angeblich sollte er zu einer Bande gehören die Intershops illegal beliefern. Wenn es um Devisenvergehen ging kannte Vater Staat keine Gnade. Sie hatten ihn gleich von Arbeit weg verhaftet. Er wurde zu über einem Jahr Gefängnis verurteilt.
Auf Arbeit wechselte ich Anfang Januar das letzte Mal im zweiten Lehrjahr die Maschine. Es stand noch das Fräsen an. Im Gegensatz zum ersten Lehrjahr blühte ich an der Fräsmaschine so richtig auf. Was so ein ordentlicher Lehrmeister eben ausmacht. Dixi war noch nicht von Eckhold so kaputt gespielt worden wie Leini, der schon viele Jahre in der Lehrausbildung steckte. Der konnte einen noch so richtig motivieren. Die ersten Zensuren waren noch Zweien. Nach ungefähr 14 Tagen tauchten immer öfters Einsen auf. Nach einem Monat hatten die Einsen die Zweien fast verdrängt. Für das Konturenfräsen mussten wir unsere Fräser selber schleifen. Dixi erklärte uns genau die Feinheiten, wie die Fräser ordentlich hinterschiffen wurden, so dass beim Fräsen eine saubere Oberfläche entstand. Das Ergebnis begeisterte einen richtig. Wie an den anderen Maschinen auch musste ich ein Prüfungsstück fertigen. In der Regel hatte ich auf die Prüfungsstücke eine zwei erhalten. Beim Fräsen war ganz klar die Tendenz Richtung eins. Für alle einzuhaltenden Maße hatte ich die Note 1 bekommen und ausgerechnet beim letzten völlig unbedeuteten Maß hatte ich die Sache wieder verhauen. In meinen Gedanken war ich schon fertig und so hatte ich es wieder versabbert. Ich hatte mich um einen Millimeter verschaut, die Neun hatte ich als Acht gelesen. Da war sie futsch die Eins. Aber so konnte ich zu frieden sein, nur die alten Fehler musste ich noch abstellen.
Inzwischen war es Februar geworden, Faschingszeit. Conny hatte für den Faschingsdienstag Karten besorgt, im Barockgarden Großsedlitz war Tanz im Blauen Saal. Am Freitag davor kam Roland angesaust, er und Mischa wollten nach Arnsdorf zum Fasching. Ich musste lachen, in Arnsdorf befand sich eine Nervenheilanstalt. Ich sagte zu ihm, da passt ihr wirklich hin. Roland und Mischa hatten sich anfang der Woche Glatze scheren lassen. Dazu trugen sie noch alte Gestapomäntel, die Mischa irgendwo aufgetrieben hatte, solides Leder. Diese hatten sie sich umnähen lassen das sie etwas modischer ausschauten. Genau genommen sahen beide wie Verbrecher in ihren Mänteln und mit ihrer Frisur aus. Ich entschloss mich mit ihnen zu fahren. Unterwegs erzählte Roland ein Kollege von ihm käme aus Arnsdorf und der hatte die Karten für den Fasching besorgt. Nach einigen suchen fanden wir die Veranstaltung. Bevor wir uns ins Getümmel stürzten, sagte Roland noch, dass er halb zwölf sich auf den Rückweg machen will, da er morgens halb fünf aus den Federn müsste. Das besondere an der Veranstaltung, es war den ganzen Abend Damenwahl im Tanzlokal. Es dauerte auch nicht lange und eine von den Grazien kam auf mich zu gewalzt. Ich dachte noch, hoffentlich kommt die nicht zu mir aber es war zu spät. Ich war ihr Auserkorener. Sie fragte mich ob ich mit ihr tanze. Ich hatte damit kein Problem, ich musste sie ja nicht heiraten und so sagte ich höflich, selbstverständlich. Schnell wurde mir klar die Gute hatte schon reichlich vom Alkohol genascht. Laufend jammerte sie mir die Ohren voll, dass sie überhaupt nicht hübsch wäre, was zwar stimmte aber ich ihr anstandshalber nicht bestätigen wollte. Sie legte noch eine Kohle nach, die Kerle wären sowieso nur blöd. Ich fragte sie, warum sie dann mit mir tanzt. Ich hätte ihr keinen Korb gegeben, wie die Anderen, meinte sie. Na toll dachte ich und fing an mich über sie lustig zu machen. So einer schönen Dame kann man doch keinen Korb geben. Sie hatte ja schon entsprechende Mengen Alkohol in sich und merkte die Ironie nicht. Vor Aufregung verrutschte ihr das Nasenfahrrad, so dass die Brille ganz schief in ihrem Gesicht hing. Sie sah zum schießen aus und wurde langsam anzüglich.
Von weitem sah ich Roland winken, sie wollten sicherlich los machen. Behutsam brachte ich ihr bei das ich fort müsste. Sie jammerte wieder rum, das käme nur weil sie so hässlich wäre. Ich beruhigte sie wieder und sah zu das ich zu Roland kam. Dieser aber meinte er wollte mir nur ein Zeichen geben, das ich mich nicht verkrümmle, in einer halben Stunde ginge es los. Ich nutze die Zeit und ging an die Bar mir ein Bier bestellen. Ein fataler Fehler, meine Grazie kam auf mich wie eine Hyäne zugeschossen und beschimpfte mich wie ein Rohrspatz. Ich wäre genau nicht besser wie die anderen Kerle und genauso doof. Erstaunt  fragte ich sie nach dem Problem. Schon wetterte sie los, ich müsste ja gar nicht nach Hause, ich hätte sie nur abgewimmelt weil sie hässlich wäre. Das gab es doch gar nicht dachte ich und versuchte es ihr zu erklären. Das brachte sie richtig in Rage, sie wurde handgreiflich. Verärgert drückte ich sie in den nächsten freien Stuhl und sagte zu ihr, du bist wirklich hässlich. Sie heulte los wie ein Schlosshund. Ich schnappte mir mein Bier und ging.
Am Dienstag Abend machte ich mich auf zu Conny. Im Schlepptau von mir kamen Becki und Roland mit. Von Conny aus trabte man straffe 2 km bergauf bis zum Barockgarten. Sie hatte sich als Einzige von uns kostümiert. Sie ging  in einem brasilianischen Kostüm, Netzstrumpfhosen, kurzer Rock mit Entenarsch, hohe Absatzschuhe und irgendwelchen Klimbim in die Haare gesteckt. Sie sah wirklich richtig sexy aus, mit ihren langen Beinen. Viel los war nicht bei der Faschingsfeier, kein Vergleich zu Arnsdorf. Ein polnischer Reisebus kam vorgefahren und lud seine Gäste aus. Die Polen machten ihren Ruf als Wodkatrinker alle Ehre. Einer von den jüngeren Polen bekam seine Augen gar nicht los von Conny. Er ließ des Öfteren mal etwas unter den Tisch fallen und versuchte beim Aufheben des Gegenstandes einen Blick unter ihren Rock zu bekommen. Wir amüsierten uns köstlich über ihn. Hätte er mich gefragt, ich wusste was unterm Rock war.  Wir blieben bis Mitternacht, dann mussten wir los um den letzten Zug zu bekommen. Gerne wäre ich bei Conny geblieben aber der Schwiegermutterdrachen war mal wieder besonders stinkig weil Töchterchen in der Woche ausging. Es war klüger ins eigene Bettchen zu gehen.

Wer wirft so spät nach Mitternacht
Noch Käse in den Fahrstuhlschacht*
*Lied der Gruppe Possenspiel

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