Montag, 14. Februar 2011

Der Radsport

Wie schon erwähnt in meiner Freizeit frönte ich hin und wieder dem Radsport. Mit beginn der Lehre hatte ich immer weniger Zeit dafür. Aber ganz aufhören wollte ich nicht, es machte ja auch Spaß. In der 9. Klasse hatte ich meinen Übungs- und Wanderleiter gemacht. Also durfte ich Radwanderungen durchführen und leiten. Wenigstens einmal im Monat musste ich da mit ran. Gerd unser Sektionsleiter war ein ziemlich unerbittlicher Mensch und achtete stets drauf, das die Arbeit auch gleichmäßig verteilt wurde. Ab und zu fuhr ich auch noch Wettkämpfe im GOF mit. Das machte mir richtig Spaß. In der DDR – Rangliste lag ich immer unter den besten 10 Fahrern. Die Besten sechs gehörten automatisch zur Nationalmannschaft. Irgendwie reizte mich das schon. Aber die Besten sechs kamen alle von Lok Zwickau. Diese Truppe trainierte regelmäßig 5 Mal in der Woche, das wollte und konnte ich zum Teil gar nicht. Da hätte ich mein Leben völlig anders gestalten müssen. Wir trainierten gerade mal vor Wettkämpfen. Ganz so einfach war das mit dieser Sportart auch nicht. Sie war keine olympische Disziplin und wurde dem entsprechend auch nicht gefördert. Eine Portion Idealismus musste man schon mitbringen. Bei Wettkämpfen reiste man einen Tag eher an, übernachtete für gewöhnlich in einer Jugendherberge. Früh morgens begann der Wettkampf und am Nachmittag nach der Siegerehrung ging es nach Hause. Je nach Entfernung des Wettkampfortes mit Rad oder Zug. Für die Kosten kam man selbst auf. Es gab aber auch Experten die setzten sich nach dem Wettkampf noch mal aufs Rad und fuhren mit ihrem Gepäck 150 – 200 km nach Hause. Zu denen zählte ich allerdings nie. Ende Oktober 76 war noch eine Fahrt nach Altenberg angesagt mit Übernachtung  in der Jugendherberge Zinnwald, unweit der Tschechisch – Deutschen Grenze. Die letzte Fahrt im Jahr wollte ich unbedingt mitmachen. Roland hatte spitz gekriegt das in der Grenzbaude Zinnwald an diesem Abend Disco war. Wir verabredeten uns für den Abend. Während ich mich mit dem Rad durch die Berge quälte fuhr Roland mit dem Zug. Das kostete ihn ja nichts, da er bei der Bahn lernte, hatte er eine 50 km Karte. Mit dieser konnte er kostenfrei im Umkreis von 50 km, gesehen von seinem Wohnsitz, die Bahn benutzen. Das war eine feine Sache.
Da die Jugendherbergen nachts fest verschlossen wurden, bat ich Uwe, einen von uns sieben Radfahrern, lass das Fenster auf, damit ich nachts einsteigen kann. Zu Gerd unserem Sektions- und Fahrtenleiter sagte ich, ich geh nur mal ein paar Bier trinken. Als ich zur Grenzbaude kam war Roland schon da und hatte die Eintrittskarten besorgt. Schnell stellten wir fest, Disco auf dem Land, da geht die Post ganz anders ab. Es wurde mehr getanzt und gequatscht dafür weniger getrunken. Schnell lernten wir zwei flotte Landeier kennen, Anet und Kerstin. Roland baggerte bei Anet und ich bei Kerstin. Kerstin hatte kurze blonde Haare und blaue Augen. Beide lernten in Dresden Krankenschwester und wohnten dort in einem Internat. Anet war in Spendierlaune und sagte zu uns, sie geht mal Getränke holen. Ich dachte die Zeit nutzt du zu einem Gang auf die Toilette. Als ich von der Toilette kam, ging Anet an mir vorbei ohne Getränke. Ich fragte sie, wolltest du nicht was Flüssiges holen??? Sie schaute mich mit großen Augen an und sagte, iiiich? Dann lachte sie und meinte, du verwechselst mich mit meiner Zwillingsschwester. Ich heiße Karin und nicht Anet. Die Ähnlichkeit war verblüffend, ich sagte es Anet. Ja, sagte sie wir sind eineiige Zwillinge. Ich frotzelte Roland und sagte, wenn du aus dem Bett rausfliegst, dann weist du es war die Falsche. Anet grinste, so weit sind wir noch lange nicht. Der Abend jedenfalls war ein Schöner, bei der Musik von Queen rocken wir volles Rohr auf dem Fußboden ab, ich bedauerte dass um 01.00 Uhr Schluss war. Wir wollten die Mädels natürlich nach Hause bringen und traten aus der Baude, es schneite wie verrückt. Das um diese Zeit im Gebirge Schnee liegen konnte, daran hatten wir natürlich nicht gedacht und waren nur mit Halbschuhen und einer dünnen Jacken ausgerüstet. So ein Mist, dachte ich, jetzt latschst du 4 km nach Altenberg bei dem Wetter immer an der Fernverkehrstraße lang wo der ganze Transit und Fernverkehr von Skandinavien auf dem Balkan lang rollt und Fußwege gibt es auch keine übers Land. Im Licht der Scheinwerferkegel und bei tanzenden Schneeflocken blieben wir des Öfteren mal stehen um uns gegenseitig zu „wärmen“. In Altenberg meinte Kerstin, du kannst nicht bei mir schlafen meine Eltern würden verrückt werden, wenn ich irgend so einen Kerl mit nach Hause bringe. Empört sagte ich, sag mal ich bin doch nicht irgendeiner. Du weist schon wie ich es meine antwortete sie. Ich würde mich freuen wenn wir uns in Dresden mal wieder sehen. Also verabredeten wir uns in zwei Tagen in Dresden an der Radeberger - Ecke - Forst Straße. Sie wohnten dort im Internat. Roland hatte mehr Glück. Er konnte bei Anet übernachten. Sie hatte mit ihrer Schwester eigene Zimmer über der Wohnung ihrer Eltern. Ich trabte die 4 km zurück nach Zinnwald. Halb erfroren kam ich gegen 03.00 Uhr an der Jugendherberge an, kein Fenster offen. So eine Scheiße dachte ich, was machst du bloß. Ich schmiss Steinchen an die Fenster, nichts rührte sich. Neben der Herberge befand sich ein Schuppen. Ich klingte an der Tür, sie war offen. Wie zum Hohn, das Einzige was drinnen stand, war ein alter halb kaputter Stuhl. Ich setzte mich, mit schlafen war nicht viel. Dazu war es viel zu kalt. Gegen 5.00 Uhr rührte sich was in der Herberge. Der Wirt machte Feuer im Ofen. Ich klopfte an die Türe und er öffnet. Wo kommst du denn her, fragte er? Ich ging wortlos an ihm vorbei. Er sagte zu mir, stell dir mal vor, als ich gestern Abend einen Kontrollrundgang machte, war hier unten ein Fenster offen. Das habe ich natürlich zugemacht. Du Arsch, dachte ich und ging aufs Zimmer. Unter der Bettdecke taute ich so langsam wieder auf. Zwei Stunden schlaf waren mir noch vergönnt. Gegen 10.00 Uhr schwangen wir uns auf die Räder und im rasanten Tempo immer bergab ging es nach Heidenau. Für die 40 km durchs Müglitztal brauchten wir ca. eine Stunde. Ich hatte die Nase voll, stieg dort in den Zug und fuhr fast bis vor die Haustüre. Zu Hause nahm ich erst mal ein warmes Bad und verschwand anschließend im Bett.
Am nächsten Tag traf ich mich mit Roland, er war begeistert von dem Abend und seiner Anet. Er wollte sich auch Morgen wieder mit ihr treffen. Also zogen wir Dienstagabend mit den Mädels los, quer durch Dresden. Wir machten die Nacht zum Tag. Früh um 2.00 Uhr waren wir wieder zu Hause. Es blieben noch 2 ½ Stunden Schlaf bevor es wieder auf Arbeit ging.
Bei Kerstin kam ich immer nur bis zu einem gewissen Punkt, dann blockte sie ab. Ich dachte mir, da ist doch irgendetwas faul. An einem schönen Wochenende schnappte ich mir heimlich die 50 km Karte von meinem Vater packte mich in den Zug und fuhr nach Altenberg, unangemeldet. Ich bimmelte bei ihr zu Hause, ihre Mutter machte auf. Sie erriet sofort wer ich war und sagte du bist der Thomas aus Dresden, ich bejahte. Sie ließ mich in die Wohnung. Dann fing sie an zu erzählen, Kerstin ist heute in Marienberg. Mir schwante schon etwas. Sie erzählte weiter, das Kerstin eigentlich einen netten Jungen aus dem Dorf als Freund hat, der in Marienberg bei der Armee ist. Ich dachte so bei mir, sind denn die Weiber nur noch doof. Kerstins Mutter labberte weiter, ich hörte gar nicht mehr zu. Nach weiteren fünf Minuten verabschiedete ich mich höflich und fuhr mit dem Zug nach Hause. Roland traf sich noch ein paar Mal mit Anet, aber etwas war da schief gelaufen. Roland äußerte sich nicht und ich fragte nicht. Was Frauen anging, wurde Roland mehr der Alte.

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