Montag, 14. Februar 2011

Ernteeinsatz

In zwischen war ein Großteil meiner Lehrkameraden aus dem Urlaub zurück. Eigentlich fehlte nur Uwe Becker. Er lag schwer verletzt im Krankenhaus. Sein Propangaskocher war beim Zelten explodiert. Er hatte sich an den Beinen Verbrennungen des zweiten und dritten Grades zugezogen.
Es gab viel zu erzählen. Auf alle Fälle wurde klar, dass ich mit der Fahrschule ein ganzes Stück zurück lag. In der Zeit wo ich im Urlaub war, hatte schon ein Teil der Jungs die Prüfung bestanden. Es wurde also höchste Eisenbahn das die Fahrstunden bei mir weiter gingen. Endlich war es so weit, die neue Lichtmaschine war eingebaut, die Fahrschule konnte wieder beginnen. Am Montag dem 8. August ging es los. Hinrichs kam in die Lehrwerkstatt und sagte mir dass ich 17.00 Uhr. vorm Eingang stehen sollte. Ich war bedient, Fahrschule nach Feierabend und wer weiß was dem Verrückten wieder einfiel. Hinrichs kam immer auf merkwürdige Ideen. Gewöhnlich benutzte er den Lkw um seinen privaten Mist zu erledigen. Oder er benötigte ihn für Schwarzfahrten und verdiente sich so nebenbei noch ein paar Pfennige. Beliebt bei ihm war auch das Flaschensammeln. Abends so ab 19.00 Uhr kamen die Interzonenzüge auf dem Dresdner Hbf an. Er jagte uns dann durch die Züge um Flaschen zu sammeln. Die gab er dann in der Kaufhalle ab und steckte sich das Geld ein. Mir war diese Aktion gar nicht so unlieb, da ich ja gleich neben dem Hbf wohnte, brauchte ich niemals mit zurück nach Heidenau.
14.30 Uhr hatte ich Feierabend. Nach Hause fahren lohnte nicht, also verbummelte ich meine Zeit in Heidenau. Hinrichs war wenigstens einigermaßen pünktlich. Es kam wie es kommen musste. Es waren Sommerferien. Hinrichs Frau arbeitete während dieser Zeit als Köchin in einem Ferienlager. Er wollte seine Frau besuchen. Zuerst fuhren wir zu ihm nach Hause. Er lud allen möglichen Krempel für sein Herzblatt auf den Lkw, dann ging es los. Er fragte mich ob ich wüsste wo der Brand ist. Ich bejahte seine Frage. Genau dort arbeitet meine Frau im Ferienlager, plapperte er weiter. Sie und ihre zwei Kinder wären jetzt schon drei Wochen dort und bräuchten neue Sachen. An der Bastei vorbei ging es Richtung Hohnstein. Wir querten das Polenztal. Die Serpentine hinauf nach Hohnstein ließ er mich mehrmals am Berg anhalten. Immer wieder probierten wir das Anfahren am Berg, bis es perfekt klappte. In Hohnstein bog ich von der Straße rechts ab, in den Waldweg der zum Brand führte. Nach 10 Minuten fahrt waren wir am Ziel. Zum ersten Mal sah ich Frau Hinrichs. Sie war einen halben Kopf größer wie ihr Mann und recht kräftig bei einander, wie sich das für eine richtige Köchin eben gehörte. Lärmend kamen seine zwei Wänster angetobt, es waren Jungs. Frau Hinrichs fragte mich, ob ich schon Abendbrot gegessen hätte, ich verneinte. Sie ließ mir einen großen Teller Kartoffelsuppe bringen. Die war richtig lecker und das Küchenmädchen das die Suppe brachte war eine Hübsche. Sie setzte sich völlig zwanglos zu mir, kein Wunder das es so gut schmeckte. Sie hatte große dunkle Augen, die braunen Haare trug sie halb lang. Wir schäkerten rum, 19.00 Uhr kam Hinrichs angesaust und meinte heute machen wir eine Nachtfahrt. In einer Stunde geht es los. Ich fragte Caroline, so hieß die Küchenfee, ob es hier ein Telefon gab. Sie sagte, bei der Lagerleitung, wir gingen gemeinsam hin. Ich rief meinen alten Herrn an, dass ich so gegen 24.00 Uhr nach Hause komme. Caroline musste noch abwaschen, wir verabschiedeten uns.
Hinrichs jagte mich kreuz und quer durch die sächsische Schweiz. Über Dresden Bühlau fuhren wir zurück Kurz vor 24.00 Uhr stieg ich am Hbf aus.
Am nächsten Tag war wieder Fahrschule angesagt, dann musste  der Lkw für eine Veranstaltung der Roten nach Berlin abgestellt werden. Das bedeutete 3 Wochen Pause. Ich ärgerte mich. Mittags sollte es losgehen. Hinrichs kam nicht, er war mit Hagen unterwegs. 14.00 Uhr, hörte ich Hinrichs schon von weitem schimpfen. Er war tanken gewesen und hatte zu Hagen gesagt, er soll den Tank schon mal voll machen. Nur betankte Hagen nicht den Benzintank, sondern den Kühlwasserbehälter und der musste an der Tankstelle erst einmal leer gepumpt werden. Wir begrüßten Hagen mit einem kräftigen Hallo. Um ehrlich zu sein, der Kühlwasserverschluss sah einem Tankdeckelverschluss verdammt ähnlich und war ganz verführerisch im Frontbereich angebracht und wer es nicht wusste……
In zwischen war es Freitag geworden. Eckhold berief eine Versammlung ein. Natürlich kurz vor Feierabend. Da konnte er sicher sein, das wir nicht groß herumblödelten, denn schließlich wollten wir auch in das Wochenende. Er verkündete uns dass wir am Montag für eine Woche zum Ernteeinsatz nach Graupa gehen. Der Gärtnerischen Produktionsgenossenschaft (GPG ) waren die Arbeitskräfte ausgegangen. Kein Wunder dachte ich, bei dem tollen Wetter geht man ja auch lieber baden als aufs Feld. Da wird wohl der Krankenstand eine beachtliche Höhe erreicht haben. Eckhold tönte weiter, dass wir uns am Montag 8.00 Uhr im Betrieb treffen und gemeinsam nach Graupa laufen. Prima, da konnte man am Montag länger schlafen
Montag 08.00 latschten wir los. Mit der Fähre ging es über die Elbe und dann weiter nach Graupa zur Hauptgeschäftsstelle der GPG. Wir brauchten eine knappe Stunde für den Weg und wurden  zu verschiedenen Arbeiten eingeteilt. Ich musste aufs Feld, Kopfsalat schneiden. Das warme Wetter hatte den Wachstumsprozess enorm beschleunigt. Andere gingen ins Gewächshaus Gurken und Tomaten ernten. Die Gewächshäuser standen bei der Hitze weit offen. Nach drei Stunden brannten mir die Schultern. Die Sonne ging durch die Kleidung. Mütze hatte ich auch keine auf. Ich fragte den Vorarbeiter, wo es hier was zu trinken gibt. Er meinte das hätten wir von zu Hause mitbringen müssen. Ich war fassungslos, normaler Weise wurde man beim Ernteeinsatz kostenfrei versorgt, die GPG zahlte an uns keinen Lohn. Da ging es ja Sklaven besser. Kille wohnte im Nachbarort Pirna – Copitz, er wusste wo hier der Dorfkonsum war. Er machte sich auf den Weg um Selters zu holen. Der Vorarbeiter tobte. Bernd sagte zu ihm, halt die Klappe du Armleuchter oder du schneidest deine Salatköpfe alleine. Das verstand er ganz gut. Kille brachte jedem zwei Flaschen Wasser mit. Mittags wurde die Hitze fast unerträglich. Logisch, wenn es schon nichts zu trinken gab, brauchte man mit Essen auch nicht zu rechnen. Ich ging zum Konsum um neues Wasser zu holen. Es war ausverkauft. Nur Verbrecher in diesem Staat schimpfte ich und trollte mich. Die 1 1/2 Stunde bis 14.00 Uhr schaffte ich auch noch, dann war Feierabend. Mir brummte der Schädel. Verdammt wie kam man von hier eigentlich nach Hause. Kille meinte das ist kein Problem. Du läufst mit uns durch den Busch da vorne. Dort befindet sich dann auch die Buslinie die zum Pirnaer Bahnhof fährt. Zu fünft machten wir los, Berze, Zwiebel, Kille, Bernd und ich. Der Vorarbeiter löffelte noch rum, wir sollten Morgen eher kommen. Berze fuhr ihn an, mach den Kopf zu du dummes Bauernbrot. Eine viertel Stunde lief man zum Bus. Wir hatten Glück und brauchten auf den Bus nicht lange warten 20 Minuten später stieg ich in die S – Bahn. Die Kopfschmerzen wurden immer schlimmer. Da kam es mir gerade recht, dass im Nachbarabteil fünf alberne Mädels saßen, die sich auf das Übelste beschimpften. Vermutlicher Weise hatten sie Alkohol getrunken. Nach dem Sprachgebrauch zu urteilen, auch nicht zu knapp. In Biologie waren sie mit Sicherheit exzellente  Schülerinnen gewesen, denn im Genitalbereich kannten sie sich besonders gut aus. Es dauerte nicht lange und die fünf Schnepfen wurden handreiflich. Zu viert stürzten sie sich auf ihre fünfte Kameradin und kamen sich dabei gegenseitig ins Gehege. Sie zerrten sich an den Haaren, schrieen und kreischten wie die Verrückten. Inzwischen schaute der halbe Wagon zu, dass war besser wie Fernsehen. Auf einmal packte Eine die Andere am Bein, zog ihr den Schuh aus und warf ihn durchs offenen Fenster aus dem fahrenden Zug. Darauf brüllte die Schuhlose die Schuhwerferin an, du dämliche Hongkonglippe. Geschockt von dieser Bezeichnung fing diese an zu heulen wie ein Schlosshund. Inzwischen hatte der Zug den Hbf erreicht, schade. Er fuhr auf Bahnsteig 17 ein. Ich musste aussteigen. Auf einmal wurde mir schwarz vor den Augen. Ich kippte aus dem Zug. Nach eins, zwei Sekunden kam ich wieder zu mir, rappelt mich auf und setzte mich auf eine Bank. Ich blutete am linken Unterarm. Es war nicht weiter schlimm. Bedrückt schlich ich mich nach Hause und nahm erst einmal ein Bad. Auf meiner Schulter hatten sich Brandblasen gebildet. Vater meinte ich soll erst einmal zum Arzt gehen. Nach dem Bad legte ich mich ins Bett, mein Kopf glühte. Ich maß Fieber, Tatsache ich hatte 39,2. Am nächsten Morgen raffte ich mich auf und ging zu meiner Hausärztin, Frau Schneider, in die Poliklinik. Mir viel der Spruch ein: Wenn die Sonne lacht, geh zu Frau Schneider, Liebigstraße 8. Frau Schneider haftete der Ruf an, das man nur zu ihr gehen konnte, wenn man krankgeschrieben werden wollte. Hatte man ernstliche Probleme, sollte man lieber einen richtigen Arzt aufsuchen. Mit Sicherheit war das Übertrieben. Das bisschen Sonnenbrand, damit würde sie schon klar kommen. An Hand der Symptome diagnoszierte Sie einen Sonnenstich. Sie schrieb mich bis Freitag krank. Damit war der Ernteeinsatz für mich gelaufen. Ich bekam für meine Schultern noch Panthenolsprey verschrieben. Der Kühl und Heilungseffekt auf der Haut war schnell und gut.

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