Montag, 14. Februar 2011

Die Kumpels, das Haus, der Judas

Eigentlich war es unter uns Jugendlichen Mode sich nie mit dem richtigen Namen anzureden. So war Andreas Becker der Becki oder Frank Hünersen riefen wir immer Hüni und mich nannte man Mülli oder Mölleri. Da ich noch einen Bruder hatte gab es den großen und den kleinen Mülli, manche sagten auch Tops oder Topsi zu ihm. Ich sagte meistens Dicker.
Unter uns wohnte die Familie Bäsler, die hatten zwei Kinder. Die alten Bäslers waren schwer  in Ordnung. Mit ihnen hatte ich nie Probleme. Baute ich wirklich mal Mist, klärten sie prinzipiell alles mit mir persönlich ab. Sie verpfiffen mich nie bei meinen Eltern. Cornelia ihre große Tochter, nannten wir Conny, war nicht nur eine Nette, sie war auch ganz gut in der Schule. Ihr Bruder hieß Olaf, er war ein Früchtchen wie es im Buche stand und wollte immer wie Goiko Mitic sein, der große Indianerheld. Olaf war einige Jahre jünger wie wir. Um seinen Mut zu beweisen, aus unserer Sicht war es Dummheit, hatte er laufend die große Klappe und versuchte ständig zu provozieren. Er war eine richtige Nervensäge. Zur Strafe fing er sich dann einen Satz warmer Ohren ein. Es machte richtig Spaß ihm ein paar Ohrfeigen zu verpassen. Wir nannten ihn Poul Mc Baysy. Neben Bäslers wohnte Familie Kutschbach, die hatten zwei Söhne, Falk und Jens. Beide wurden eigentlich nur Kuttel gerufen, sie wussten schon wer gemeint war. Falk war ein Jahr älter wie ich. Er war nicht nur der Beste in seiner Klasse, er galt als das Schulgenie. Er nahm an mehreren Matheolympiaden teil. Jens wurde hin und wieder ungerechterweise von einigen wenigen Lehrern in der Schule an seinem Bruder gemessen. Als Brüder waren sie wie Hund und Katze. Jens war von kräftiger Statur, Falk war ein helles Köpfchen, so stand nie von Vornherein fest wie die Keilerei ausging. Familie Kutschbach hatte noch eine Besonderheit. Sie hatten ein eigenes Familienwappen und das hing im Korridor. Ihre Ur- Ur- Urahnen waren ein altes Adelsgeschlecht und irgendeiner von diesen hatte den Adelstitel versoffen. Jens lernte Klempner, Falk machte sein ABI. Unter Kutschbach wohnten Schneiders, die hatten 3 Kinder. So richtigen Kontakt zu uns hatte nur Frank, er ging ja auch mit mir in die Klasse ebenso wie Kuttel. Schneidex war ein feiner Kerl, mit dem Hang zum Eigenbrödler. Er erlernte den Beruf eines Bergmannes. Neben Schneiders wohnte Familie Heinisch. Ihre zwei Kinder waren um viele Jahre älter wie ich, Thomas 5 und Ulla 10 Jahre. Thomas war früher mein Hausfeind gewesen. Er hatte die Neigung gehabt, alles was jünger war wie er zu schikanieren. Das brachte ihm viel Ärger ein. Die Hausgemeinschaft machte sich stark und setzte sich dafür ein, dass Thomas nicht auf die EOS durfte, obwohl er es von den Zensuren drauf hatte. Er machte später sein ABI nach. Während meiner Lehre war das alles schon Geschichte und wir kamen ganz gut miteinander aus. Seine Schwester war mit einem Offizier der christlichen Seefahrt verheiratet. Einmal im Jahr durften die Offiziere ihre Frauen mit auf große Fahrt nehmen. In Hamburg stiegen beide vom Schiff. Das brachte Familie Heinisch gewaltigen Ärger ein. Ich mochte Frau Heinisch nicht, trotzdem tat mir die Familie Leid. Unter Heinischs wohnte Familie Hentschel. Dort war das Kinderparadies zu Hause. Ihr beiden Kinder, Roswitha und Heinz hatten es richtig gut. Roswitha ging mit mir in die Klasse und Heinz war ein Jahr älter. Er lernte in der Zigarettenfabrik Anlagenfahrer. Das war kein Zufall. Heinz spielte bei Dynamo Fußball. Er hatte es bis in die erste Jugendmannschaft geschafft. Das hieß jeden Tag Training oder Spiel. Damit die Spieler für das Training auch immer frei gestellt werden konnten, hatte Dynamo mit der Zigarettenfabrik einen Vertrag geschlossen. Spieler, die das Trainingspensum nicht mehr schafften, konnten in der Betriebssportgemeinschaft ( BSG ) der Zigarettenfabrik weiter Fußball spielen. Diese BSG nannte sich Tabak Dresden. Familie Henschel hatte zu dieser Zeit ein Ziehkind. Mit Heinz in der Mannschaft kickte Jürgen Horschik. Horschi kam aus Görlitz und für die Zeit seines Aufenthaltes in Dresden wohnte er bei Henschels. Auch er lernte in der Tabakfabrik. Neben Henschels wohnte Familie Nähring. Sie hatten zwei Söhne. Andreas der Ältere ging mit mir in die Klasse. Er war ein guter Schüler und hatte es trotzdem nicht leicht. Seine Mutter baute einen großen Erwartungsdruck auf, was die schulischen Leistungen betraf. Andreas konnte sie nicht immer erfüllen. Ich hatte schon viel Stubenarrest aber Andreas hatte mehr. Dazu sah er ab und zu noch den Lederriemen. Mit Nährius kleinen Bruder Frank hatten wir nicht viel am Hut, er war zu jung. Dann gab es noch die Familie Wobser, das waren unsere Nachbarn. Sie hatten drei Kinder. Uta war die Älteste und war vier Jahre älter, Uwe ein und Beate die Jüngste war etliche Jahre jünger wie ich. Als Kinder hatten Uwe und ich viel miteinander gespielt, wie das so mit Nachbars Kindern ist. Mit zunehmendem Alter nahm das Gemeinsame ab und das Trennende wurde größer. Uwe war grottenschlecht in der Schule. Er brachte es einfach nicht, dazu war er noch richtig faul. Dafür war er ganz schön gerissen. Mit der achten Klasse verließ er die Schule und begann eine Lehre als Baufacharbeiter. Er verdiente also schon Geld, da ging ich noch in die achte Klasse. Wowi mühte sich nicht mehr um Freunde, er versuchte sie zu kaufen. An erster Stelle standen da diejenigen die ein Moped hatten. Wowi war nicht nur Faul er litt auch an Geltungssucht. Er wollte überall hingefahren werden und kam sich dabei vor wie der König von Jerusalem. Dafür zahlte er reichlich an Tankfüllungen. Zu seinen schon genannten speziellen „Vorzügen“ kamen noch reichliche Portionen von Feigheit und Geschwätzigkeit. Er war nicht nur einfach Geschwätzig, er war dazu noch altklug. Wenn es ihm ein Vorteil brachte, hatte er auch kein Problem einen in die Pfanne zu hauen. Er war ein richtiger Judas. Ich hatte die Nase voll von ihm und wollte mit ihm nichts mehr zu tun haben. Bezeichnend für ihn war, dass er am besten mit den Jüngeren, wie mein Bruder auskam, sie hatten ihn noch nicht durchschaut. Er war auch absolut willenlos, unselbständig, verschlief früh laufend und getraute sich dann nicht mehr auf Arbeit. Seine Eltern waren ständig damit beschäftigt, seinen Mist aus zu bügeln. Seinen Facharbeiterabschluss schaffte er nur, weil er sich für drei Jahre zur Armee verpflichtete. Kam einer zur Armee, tauchte vorher die Staatssicherheit im Haus auf und holte sich die neusten Informationen über den Betreffenden ein. Gewöhnlich machte sie das bei der Familie Wobser. Wowi konnte und wollte solche Dinge nie für sich behalten, er war besser wie jedes Tageblatt. Vater sagt zu uns, seit vorsichtig, die Stasi geht nicht umsonst immer zu Wobsers. Herr Wobser war Lokführer. Normalerweise hätte er als nicht Studierter maximal den Rang eines Reichsbahnhauptsekretärs begleiten dürfen aber er hatte den Rang eines Reichsbahninspektors. Das war der niedrigste Rang eines Bahningenieurs. Vater war sich da ziemlich sicher, das war der Judaslohn.


Heut scheißen sie ins alte Nest
Und nehmen ihn den letzten Rest
Der Weg nach oben ist das wert,
Erlaubt ist, was den Mann ernährt*
*Lied Reinhard Lakomy

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