Montag, 14. Februar 2011

Das erste halbe Jahr


Auf Arbeit sorgte man dafür, dass das Selbstbewusstsein nicht endlos in den Himmel wuchs. Zu Leini fand ich sowieso nie den rechten Draht. Nicht das er einen benachteiligt hätte aber irgendwie wirkte er immer unzufrieden und das konnte er schlecht wegstecken. Ich glaube er litt unter Eckholds Führungsstil. Er kam damit nicht klar und das ließ er uns spüren. Mich motivierte seine Art und Weise überhaupt nicht, anderen war sie egal. Mir war die Arbeit noch nie in den Schoss gefallen, ich musste mir alles hart erarbeiten, im Gegensatz zum Schulischen. Stück für Stück erlernte ich das Drehen, mein erstes Gewinde das ich mit Hilfe der Leitspindel schnitt, sah aus wie ein Kamm den ein paar Zinken fehlten, meinte zumindest Leinert. Was ich dachte sagte ich ihm natürlich nicht. Hagen mühte sich ebenfalls neben mir an seiner Drehmaschine. Fürs Gewindeschneiden musste er einen Teil des Getriebes öffnen und die Zahnräder wechseln. Er kam damit nicht klar, welches Zahnrad für welches Gewinde war. Schnell wechselte ich ihm die Zahnräder und erklärte es ihm noch einmal. Leinert lobte ihn das er es alleine geschafft hat. Er bekam an diesem Tag eine 2 und ich eine 3. Hagen bedanke sich nach Feierabend bei mir und ich dachte, was einen nicht umbringt macht stark. Am nächsten Morgen nach Arbeitsbeginn quatschte ich noch ein bisschen mit Bernd. Er arbeitete hinter mir an der Shaping. Ich half ihm den Schraubstock auf den Arbeitstisch zu heben. Dieser wog einiges. In ihm wurden die zu bearbeitenden Teile fest gespannt. Das klang erst einmal einfach aber die Teile mussten genau im rechten Winkel eingespannt werden. Mit einem Winkelmesser überprüfte man den Sitz des Werkstückes. Meistens waren sie nicht genau im Winkel. Um den rechten Winkel zu erreichen klemmte man ein Stückchen Blei zwischen das Werkstück und den Backen des Schraubstockes. Anschließend schlug man mit einem Zinkhammer auf das Werkstück unter dem sich noch Parallelleisten befanden, solange bis es im rechten Winkel war und die Parallelleisten sich nicht bewegten. Bernd mühte sich redlich das Werkstück in die richtige Position zu bringen. Dann stellte er die Maschine an und hobelte los. Auf einmal gab es einen ohrenbetäubenden Knall. Bernd hatte vergessen die Befestigungsschrauben vom Schraubstock an zu ziehen. Das Werkstück samt Schraubstock flog mit Schwung in die Spänekiste. Sofort kamen alle Lehrmeister einschließlich Eckhold aus ihren Zimmern angerannt. Für Bernd war der Arbeitstag gelaufen.
Mit einem Auge schaute man, was denn die andere Gruppe trieb. Die Arbeitsräume waren nur räumlich und nicht optisch getrennt, so dass wir einen guten Blick auf die Schraubstöcke der Anderen hatten. Sie erlernten zuerst das Feilen. Das war ein ganz schöner Schund, täglich 8 Stunden. Aus einem Stück Eisen musste ein Hammer gefeilt werden. Lehrmeister Bär überprüfte ständig die Qualität. Das ja alle Seiten im Winkel waren, die Kanten ordentlich gebrochen wurden usw. Klappte mal nicht alles, wie er sich das vorgestellt hatte, polterte er immer gleich los. Nicht böse aber es war eben seine Art. In der Regel klang es wie folgt: Leide, Leide, Leide, ich mach glei ä gle bissl mit. Oftmals äfften wir seine Art nach. Andreas war da ganz dicke dabei. Aufgrund seiner ganzen eckigen Art und seines  Familienname verpassten wir Herrn Bär einen Spitznamen. Er hieß mit Vornamen Werner. Für uns war er nur noch der Grizzly – Werner.
Grizzly - Werner war auf der anderen Elbseite zu Hause. Er wohnte in Graupa. Eines Morgens kam er auf Arbeit gehastet, er war spät dran, die Fähre  war nicht pünktlich. In der Umkleidekabine brüllte Bernd“ im Graupaer Busch ist Bärenjagd“. Grizzly - Werner  hatte es gehört und fragte, he wer war das? Bernd duckte sich ab. Andreas quäkte los, stimmt`s Herr Bär Milch mit Honig ist was Feines. Ich legte mich fast flach vor lachen. Er wusste nicht was er sagen sollte und beeilte sich doppelt mit dem Umziehen und sah zu das er aus der Umkleidekabine raus kam. Aber auch untereinander frotztelten wir uns. So kam unser Schmittl
vorrübergehend zu einem Spitznamen. Für das Fertigen des Hammers gab es Zeitvorgaben und wie das so ist, der Eine war schneller und der Andere langsamer mit seiner Arbeit. Die mit ihren Hammerköpfen eher fertig waren mussten aus Silberstahl Meißel feilen. Der lange Schmittl war besonders schnell und geschickt. Er feilte 10 Meißel zusätzlich. Ich dachte so für mich, dass wird dir nicht passieren. Jedenfalls sagte Andreas zu Steffen, wenn du so schnell feilst musst auch du etwas für die Pflege deiner Feile tun. Am besten ist da Feilenfett. Steffen guckt misstrauisch, Andreas schob ihn mit einer Arschruhe eine Tube Fett hin. Am  Freitag zum Großreinemachen fettete Schmittl seine Feile. Wir qiekten vor Freude und Schmittl hieß ab sofort Fetja.
Wer von uns die Lehrbaracke während der Arbeitszeit verlassen wollte, musste sich beim Lehrmeister abmelden. Das galt auch wenn man auf die Toilette wollte obwohl diese in der Baracke war. So schlug man zwei Dinge mit einer Klappe, man hatte einerseits die Lehrlinge unter Kontrolle auf der anderen Seite war es für den Arbeitschutz auch notwendig. In der Toilette befanden sich zwei Pissbecken und zwei WC. Eins für die Lehrmeister und eins für die Lehrlinge, jedes für sich verschließbar. Wie ich da nun eines Tages saß und mein Geschäft verrichtete kam mir eine Idee. Im Westradio dudelte des Öfteren Musik, bei dem der Originaltext verändert und irgendwelcher Blödsinn drauf getextet wurde. Ich schnappte mir meinen Kuli schrieb an die Toilettentüre, mit der linken Hand, damit man meine Schrift nicht erkannte, frei nach dem Lied, am Tag als Conny Kramer starb und alle Glocken läuteten, am Tag als Conny Eckhold starb das war ein schöner Tag – Chor der Lehrlinge. Zum Feierabend hatten es alle Lehrlinge gelesen und fragten sich, wer das wohl war. Ich hielt meinen Mund. Auf alle Fälle hatte ich damit unbewusst eine Sache ins laufen gebracht. In den nächsten Tagen kamen immer flufigere Texte dazu. Kein Lehrmeister wurde ausgelassen. Es war schon interessant was meine Lehrkollegen so schrieben. Ich fragte auch nicht wer was geschrieben hatte. Nur Zwiebel erzählte mir er hätte geschrieben, hopp, hopp, hopp Bärchen lauf Galopp, über Stock und Stein und brich dir ja ein Bein – die Druckgußsingers. Er freute sich diebisch. Aber wie das so ist alles hat eine Ende nur die Wurst hat zwei. Irgendwann bekamen auch die Lehrmeister davon Wind. Eckhold tobte und auch die anderen Lehrmeister waren sauer. Zwiebel ging die Düse, denn er war ja der Einzige der sich verraten hatte. Zwiebel hatte Glück, die Lehrmeister kamen zu dem Schluss, das Geschriebene stammt vom zweiten Lehrjahr, das Erste würde sich so etwas nicht trauen. Zur Strafe musste sie die Türe aushängen, abschleifen und neu streichen.
In zwischen hatten wir die Maschinen gewechselt. Das Drehen hatte mir Spaß gemacht, obwohl ich es nur mit einer 3 abgeschlossen hatte. Als nächstes kam ich an die Schleifmaschine. Hier wurden hauptsächlich die Teile bearbeitet die vorher gehobelt wurden. Sollte ein Teil 50mm stark werden, wurde es auf 50,3mm gehobelt und die 3 Zehntel mussten geschliffen werden. Die Teile die in der Lehrwerkstatt gefertigt wurden, benötigte man für Endgradwerkzeuge   ( Gesenke ). Diese Werkzeuge wurden in der Gussputzerei eingesetzt. Dorthin kamen alle gegossenen Teile. Es wurden Luftkanäle, die Eingüsse und die Grade mittels der Gesenke entfernt.
Die in der Maschinenabteilung gefertigten Teile kamen dann in Lehrabteilung des Werkzeugbaus, sprich zu den Jungs die zuerst mit dem Feilen begonnen hatten. Diese setzten die einzelnen Teile auf einer Grundplatte zusammen, die ebenfalls in der Lehrwerkstatt gefertigt wurde. Die einzelnen Teile wurden untereinander angepasst mit Arretierungsstiften versehen, verbohrt, mit Imbuschrauben zusammengesetzt und zu guter letzt poliert. Die Schraubenköpfe wurden versenkt. Es war eine fantastische Arbeit das Fertigen von Gesenken, sie war Interessant und Abwechslungsreich.



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