Montag, 14. Februar 2011

Die Mode


Die Mode war eindeutig vom Westen bestimmt. Gut dran war wer Jeans hatte. Die waren seit Anfang der 70iger Jahre der große Renner. Aber nicht die schlapper Jeans, Marke Wisent, aus den Jugendmodegeschäften. Das war der letzte Dreck. Ich begriff einfach nicht, wieso man in der DDR nicht in der Lage war Hosen und Westen aus ordentlichem Jeansstoff herzustellen. Selbst für solche einfachen Dinge brauchte man Westverwandschaft oder die D-Mark. In der DDR gab es verschiedene Spezialgeschäfte unter anderen den Intershop. Dort konnte man für Devisen sich ordentliche Sachen kaufen egal ob Jeans, Schokolade, Zigaretten etc. Das verrückte daran war, diese Sachen wurden zu 90% in der DDR hergestellt und in die BRD für ganz kleines Geld exportiert. Die Gewinnmagen für die einzelnen Konzerne mussten gigantisch sein. Die der Volkseigenen Betriebe lächerlich, das funktioniert nur weil der DDR – Bürger mit Ostmark bezahlt wurde. Angeblich wäre diese krisensicher da sie auf dem Weltmarkt nicht frei konvertierbar wäre. Aber was Ordentliches bekam man dafür auch nicht zu kaufen. Sei wie es sei, man musste sich eben mit den Gegebenheiten arrangieren. Der angebliche offizielle Umtauschkurs betrug 1 zu 1. Unter 1 zu 4 tauschte keiner. Der richtig interessante Schwarzmarktkurs war da knüppelhart, da wurde das Geld 1 zu 10 getauscht.
Für mich war das nicht das Thema, da ja die gute alte Tante Erna regelmäßig uns mit Paketen und Geld versorgte. Mein Vater saß da drauf wie eine Glucke auf ihrem Ei. Er verwahrte das Westgeld in einem separaten abschließbaren Fach in der Schrankwand. Eines Tages fragte mich mein Bruder, ob ich dieses Fach nicht öffnen könnte. Er war der Meinung, wer einen Metallberuf lernt der bringt so etwas. Da lag er mit seiner Meinung gar nicht so verkehrt. Ich hatte sowieso eine kleine Sammlung von nicht mehr benötigten Schlüsseln. Mit ein bisschen Glück und Einfühlungsvermögen hatte ich das Fach umgehend geöffnet. Uns klappte der Kiefer runter, Vater hatte knapp 5000,00 DM in Hunderten und Fünfzigern drinnen liegen. Tobias meinte wenn sich jeder ein Hunderter nimmt fällt das nicht auf. Ich hatte starke bedenken, denn wenn unser Vater es bemerken würde, blieb das Ding doch wieder an mir hängen. Er war ja fast immer der Meinung, das ich für alles Schlechte zuständig war und mein Bruder für alles Gute. Also schloss ich das Fach wieder zu. Aber Ruhe ließ mir die Geschichte nicht. Am nächsten Tag sagte ich zu meinem Bruder, wir nehmen uns jeder einen Hunderter, gesagt getan.

Herbert 18
Andere waren da nicht so gut dran, z.B. Herbert. Herbert wohnte auf meiner Straße, zwei Hauseingänge weiter. Mit Beginn der 9. kam er in meine Klasse. Aufgrund seiner Persönlichkeit entwickelte er sich rasch zum Leitwolf in unserer Klasse. Egal ob Sport oder schulische Fähigkeiten, er war immer bei den Besten im Sport sogar DDR weit. Mit Beginn der Lehre war Herbert in einen ganz anderen Stadtteil von Dresden gezogen, ließ aber den Kontakt zu uns nie abbrechen. Sonntags gingen wir oft mit der Clique zur Disco in den Großen Garten. An der Zughaltestelle Zoo der Pioniereisenbahn befand sich die Wirtschaft. Jeden Sonntag war dort Tanz für Jugendliche von 15.00 – 20.00 Uhr, Eintritt frei. Das war eben so das was wir uns leisten konnten. Ich schmiss mich in meine Jeans und los ging’s. Herbert hatte keine aber ich hatte ein zweites Paar, also borgte ich sie ihm. Obwohl Herbert einen Kopf größer war wie ich, passten sie ihm wie angegossen. Dies verdankte er der neuen Mode. Viele kauften ihre Jeans einfach länger und schlugen dann die Hosenbeine um. Genau so hatte ich es gemacht. Herbert ließ die Hosenbeine einfach wieder aus und die Levis passten. Vom Schnitt waren die meisten Hosen Schlaghosen. Das heißt vom Knie an abwärts hatten die Hosenbeine die Form einer Glocke. Eines Tages sagte Roland zu mir, wer im Westen in ist, trägt Schlauchhosen. Ich konnte mir da runter nichts vorstellen. Roland meinte die sitzen wie eine zweite Haut und erst recht ab dem Knie. Ich dachte, Mensch das passt gut zu meiner Figur und auffallen willst du ja auch. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen. Da viel mir ein das ja mein Bruder ein ganz Geschickter an der Nähmaschine war. Also hieß es den Bruder betteln, ich fragte ihn. Er war der Sache nicht abgeneigt, wollte aber zuerst seine Hosen ändern. Mir war es recht, wenn er was versaute, war es seine Hose und ich konnte meine wo anders ändern lassen. Geschickt trennt er die Nähte mit Hilfe einer Rasierklinge auf. Mit Stecknadeln markierte er die Punkte für die neue Naht. Er probierte mehrere Tage bis alles richtig saß. Ich fand er hatte es gut gemacht. Ihm gefiel diese Mode aber nicht und er war vergnatzt. Jedenfalls sagte er zu mir, die Hosennähte trennst du selber an deiner Hose auf. Wohl oder Übel musste ich in den saueren Apfel beißen, damit er mir meine Hosen abnähte. Mit dem Endprodukt war ich recht zu frieden. Nun galt es noch das entsprechende Schuhwerk dazu zu finden. Das war wieder so ein Problem, Schuhe mit Platoabsätzen kamen um die 40 Mark, die man natürlich nicht hatte. Was half’s, ich musste bei Vater nachfragen. Ich passte ihn ab als er mal gute Laune hatte und er rückte 50 Mäuse raus. Jetzt konnte ich mich auf die Jagd machen und nach einem knappen Monat hatte ich gefunden was ich wollte. Aber wie das so ist im Leben, Roland meinte so richtig fetzen die Schuhe nicht, ich bräuchte solche Schuhe wie er trägt, das würde besser aussehen. Der hat Nerven, dachte ich. Ich hatte von den 50 Mark noch 11 übrig. Die fehlenden 9 Mark würde ich von meinem Gesparten nehmen, aber solche Schuhe zu bekommen war ein Unding. Die wurden ausschließlich unterm Ladentisch gehandelt. Das waren ganz leichte knöchelhohe Wanderschuhe aus Wildleder. Die gab es in zwei Varianten, einmal mit einer ganz dünnen Sohle für den Freizeitbedarf und einmal mit einer richtig dicken Wandersohle. Die mit der dünnen Sohle, das waren die Raritätenschuhe. Ich bekam einfach keine. Roland brauchte auch Neue, die Alten waren soweit abgelaufen das sie kein Schuster mehr reparieren wollte. Über seinen älteren Bruder und drei Ecken bekam er welche. Roland überließ mir seine alten Schuhe. Mit Fahrradflickzeug versuchte ich die Schuhe zu reparieren. Genau an der Ferse wo die Sohle aufhört und das Leder beginnt waren die Schuhe durchgewetzt. Ich klebte von innen und außen Schlauchflicken drauf, die hielten prima. Dazu besorgte mir Roland noch eine Aktentasche für die Schule aus Adolfs Zeiten. Das Leder war total ungepflegt, das runde Schnappschloss restlos verdreckt und die Nähte an der Seite teilweise offen. Sorgsam versetzte ich die Tasche Stück für Stück in einen brauchbaren Zustand. So ausgerüstet, erreichte mein Selbstbewusstsein neue Höhen.
                                                                   

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