Dienstag, 15. Februar 2011

Berlininitiative

In der DDR  hatte die SED ein Wohnungsbauprogramm beschlossen. Es mangelte ja an Wohnraum und so wollte man bis 1990 ausreichend Wohnraum schaffen, vorrangig in Berlin. Ganz klar, wo sonst. Mir stank das Gewaltig, alles drehte sich nur um Berlin. Die Jugendorganisation der DDR, die FDJ, verpflichtete sich die Aufgabe zu übernehmen. So versuchte man mit überdurchschnittlichen Löhnen Bauarbeiter und Handwerker nach Berlin zu locken, natürlich nur auf Montage. Eins wusste ich ganz genau, da machst du nie mit und selbst wenn sie DM zahlen würden. Aber so verbissen wie ich das sah, sah es nicht jeder. Da war zum Beispiel Kuttel, er hatte den ehrbaren Beruf eines Klempners erlernt und war somit zu einer sehr gefragten Person geworden. Zu klempnern gab es genug in der DDR. Es gab nicht nur den Wohnungsneubau, es gab ja auch noch genug Bauten aus der Vorkriegszeit und so sahen sie auch aus. Die DDR war stolz auf ihre niedrigen Mieten. Die Kehrseite war, wo nichts eingenommen wurde, konnte auch nichts ausgegeben werden. Die Subventionen die Vater Staat in die Wohnungserhaltung pumpte, waren nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. So kümmerten sich viele Mieter selber um den Handwerker. Die Handwerker brauchten gar nicht die Hände aufzuhalten, die Mieter gaben es freiwillig.
Kuttel war ein Geschickter und willig das große Mammon zu verdienen. Er arbeitete viel nach Feierabend und machte sein Geld. Aber er vergaß nie wo er herkam. Brauchten die alten Kumpels mal Hilfe war er immer zu diensten und verlangte dafür auch nichts. Während ich das dritte Lehrjahr begann, konnte Kuttel schon voll Arbeiten. Er ging nach Berlin auf Montage, um seinem Traum vom großen Geld näher zu kommen. Getreu seinem Motto, die erste Million ist die Schwierigste. Jens konnte sich dank seiner Arbeit auch so manches Extra leisten. Er vereiste viel mit Jugendtourist in das sozialistische Ausland. Wer viel reist hat auch viel zu erzählen und Kuttel hatte immer viel zu erzählen. Während seiner Reisen kam es ab und an vor, dass er mit Westgermanen in Kontakt kam. Frustriert meinte er dann, die werden immer viel besser behandelt wie wir. Wir sind gegen die der letzte Scheißdreck und das im sozialistischen Ausland. Wenn ich so etwas hörte verging mir gleich die Lust aufs Reisen. Kuttel war da viel unsensibler. Er genoss seinen Urlaub und das sollte er ja auch.
Honecker, Chef der SED und der DDR, hatte in einer seiner Reden die wirtschaftliche Situation in den staatlichen Betrieben beleuchtet und geäußert, aus ihnen wäre noch viel mehr herauszuholen. Einige DDR – Bürger nahmen diese Äußerung wörtlich und nahmen mit was nicht niet und nagelfest war. In einem Land, was eh dem unter  Mangelwirtschaft litt, waren solche Dinge schwer zu unterbinden. Mitunter bekamen sie es auch vorgemacht. Hatte eine Firma einen Auftrag zu erfüllen und dieser drohte zu scheitern weil Material fehlte, kam es schon vor, das dies beschafft wurde egal wie und wo her. Genauso wollte es Kuttel machen.
Er hatte in Dresden in einem Einfamilienhaus das Bad und die Küche eingebaut. Der Einzug des Besitzers verzögerte sich, da es wieder mal keine Gasherde gab. Kuttel wusste Rat. Auf der Baustelle in Berlin  standen welche rum, die irgendwann in den Neubauwohnungen angeschlossen werden sollten. Also machte er sich eines Samstag mit einem Kollegen auf einen Solchen in das Privatauto zu verladen. Nur kamen sie nicht weit. Einer der Anwohner hatte diese Aktion beobachtet und  die Polizei gerufen. Kuttel wurde an Ort und Stelle fest genommen und in U – Haft gebracht. Das Gericht war nicht zimperlich, wer sozialistische Errungenschaften schädigte wurde hart bestraft. Für das vergleichsweise geringe Vergehen verurteilten sie ihn zu einer Haftstrafe von über einem Jahr. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Was mich wunderte, einen Tag nach seiner Verhaftung wusste das ganze Haus bescheid, was da passiert war. Am nächsten Tag klärte mich Herbert darüber auf. Bei uns auf der Straße wohnte der ABV ( Abschnittsbevollmächter ). Das war ein ein Polizeiposten und der da seinen Dienst versah war ein besonders rotes und vor allem dummes Exemplar der Menschheit. Ein richtiger Vollhorst. Der hatte von seiner übergeordneten Dienststelle den Auftrag erhalten eine Wohnungsdurchsuchung vorzunehmenn. Nun obliegt es dem Ausführenden wie er das macht. Er sorgte vor allem dafür das es jeder mitbekam. Das war um so peinlicher, weil er nur wenige Jahre älter war wie wir und als Kinder hatten wir uns logischer Weise alle gedutzt. Die meisten sahen es als einen Kavaliersdelikt an, Kuttel wollte sich ja nicht bereichern. Wer hatte denn selber noch nicht in der Firma was mitgehen lassen? Wenn es den Herd im Handel gegeben hätte, wäre er gekauft worden. Für Jens hatte die Geschichte aber noch ein Nachspiel. Er wollte  in seinem nächsten Urlaub in die Sowjetunion nach Jalta fliegen. Wie immer beantragte er das dazugehörige Visum. Dieses wurde abgelehnt ohne Begründung. Er musste seinen Urlaub umplanen. Aber das ließ sich ja alles noch verschmerzen, was viel schlimmer war, mit der Bewährungsstrafe kam er nicht zur Armee. Diese musste erst verbüßt sein, ehe er seinen Grundwehrdienst antreten konnte.

Ich bin Klempner von Beruf
ein dreifach Hoch
wer das Handwerk schuf.*
*Lied von Reinhard May

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