Montag, 14. Februar 2011

Praktische und theoretische Ausbildung


Das erste viertel Jahr war rum, die Ausbildung an der Schleifbank hatte ich mit der Note 2 abgeschlossen. Jetzt stand noch ein Monat an der Shaping aus und zwei Monate an der Fräsmaschine. Die Noten für die Schleifmaschinenausbildung und die an der Shaping wurden zu einer zusammengezogen. Das zu bearbeitende Material für die Shaping war mitunter recht abenteuerlich. Man verwendete oftmals Abfall oder Reststücken. Da kam es schon mal vor das 10 – 20 cm abgehobelt werden mussten. Also versuchte jeder mit einer großen Spantiefe den Arbeitsaufwand zu verringern. Mit 17 mm Spantiefe stellte ich einen Rekord auf. Da musste der Hobelstahl richtig geschliffen sein. Leini war beeindruckt, meinte aber ich sollte das sein lassen. Auf Dauer geht so etwas zu lasten der Maschine. Eine Spantiefe von 10 mm wäre das Optimale. Das Hobeln fand ich interessanter wie das Schleifen. Es hatte etwas, wie der Span abgeschält wurde sich einrollte bis er brach und sich dann neu aufbaute. Da wirkten schon gewaltige Kräfte. Das Säubern der Maschinen war inzwischen zur Routine geworden. Man empfand es gar nicht mehr als so schlimm. Die Zeit verging schnell an der Shaping. Eines Tages  fing Thomas den aktuellen Hit von Kraftwerk an zu singen, Radioaktivität. Wie im Canon fingen Stück für Stück wir anderen Lehrlinge an mitzugrölen „Radioaktivität für dich und mich im All entsteht“ di, da, di, da, da und immer wieder von vorne und immer lauter. Aus ihren Büroräumen kamen die Lehrmeister gestürzt einschließlich Eckhold. Grizzly - Werner brüllte los, he,he,he ich mach glei ä gle bissl mid. Beim Anblick Eckholds verstummte Augenblicklich unser Gesang. Für den Bruchteil von Sekunden, war es eine Grabesruhe die man spürte, es knisterte förmlich in der Luft und genau in diese Stille sagte jemand ganz ruhig und trocken, brumm, brumm. Die Anspannung löste sich, uns schüttelte es vor lachen, selbst die Lehrmeister und Eckhold lachten wie verrückt, nur Gevatter Bär nicht.
In der Schule ging es auch vorwärts. In meinem Angstfach Fachzeichnen hatte ich inzwischen die ersten Zeichnungen wiederbekommen. Direktor Gregor war eine Respektsperson, wie sie im Buche stand. Keiner getraute sich dumme Sprüche zu klopfen, bei ihm zogen alle mit. Das hieß aber nicht, dass er humorlos und langweilig war. Die Zensur 3 war in deutlicher Mehrheit vorhanden, ich hatte bis dato nur eine 4 und dann kam der Tag, da haute es mich förmlich vom Stuhl. Ich bekam für eine Zeichnung eine 2. Dass ich das mal schaffte hätte ich im Traum nie zu hoffen gewagt. Ich war total happy und stolz auf meine Person. Voller Übermut ging ich in die nächsten Stunden, wir hatten M/L bei Lehrer Clauß. Er bekam von mir an dem Tag nur Spitzen und dumme Antworten. Clauß wurde sauer. Er sagte Müller komm mal an die Tafel. Er bewies mir dass ich nichts wusste, ich fing mir eine glatte 5 ein. Somit war ich wieder auf dem Boden der Realität gelandet.
Das Fach in dem wir die meisten Stunden in der Woche hatten, war Werkzeugmaschinenkunde. Hier unterrichtete uns Herschel, es waren in aller Regel die letzten Stunden am Tag. Mit Herschel legte ich mich nie an. Im Gegenteil, ich versuchte ordentlich mit zu ziehen. Meistens machte ich in diesem Fach auch die Hausaufgaben, so dass ich immer gut im Bilde war. Denn ich merke schnell, wer bei Herschel spurte hatte Privilegien. Das hieß konkret, ich konnte oftmals 10 Minuten eher gehen und bekam so den 14.00 Uhr Zug nach Dresden. Die angestauten Bosheiten mussten natürlich irgendwo raus. In Materialwirtschaft hatten wir Herrn Krause. Er war klein und schmächtig, sah leidend aus. Im Grunde genommen war er kein schlechter Lehrer. Mir wurde rasch klar, er hatte einen Fehler, der für einen Pädagogen fatal war. Er konnte sich schlecht wehren. Laufend bekam er von mir dumme Sprüche an den Kopf geknallt. Genau genommen weis ich nicht mal warum, vermutlicher weise wollte ich meinen Lehrkameraden beweisen, dass ich auch anders kann. Zur Strafe unterzog er mich zum Unterrichtsschluss hin und wieder einer mündlichen Kontrolle aber eine schlechtere Note wie eine Zwei bekam ich nie. Irgendwann hatte er den Kanal dicke mit mir und schmiss er mich aus dem Unterricht. Dafür musste ich Sonnabend in die Schule und die versäumten Stunden nachholen. Mein Vater sagte, das geschieht dir recht. Es hatte aber auch einen Vorteil. Unsere Parallelklasse hatte immer Samstag bei Krause Unterricht. Dort musste ich die Fehlstunden nachbrummen. So lernte ich mal die Lehrkameraden der Nachbarklasse kennen und für die war ich der König. Denn Lehrer Krause hatte mich als größten Rüpel der Parallelklasse angekündigt. Ganz hinten saß ich und tat so als schlief ich. In Wirklichkeit  hörte ich genau zu. Am Unterrichtsende holte er mich an die Tafel und unterzog mich einer Leistungskontrolle über das soeben Gelehrte. Er staunte nicht schlecht, dass ich bestens im Bilde war. Ich bekam eine 1. Er meinte, Müller bei ihnen scheint ja Hopfen und Malz noch nicht ganz verloren zu sein. Ich sagte, außer ihnen weis das jeder hier. Die Klasse lachte. Ärgerlich meinte Krause, immer müssen sie das letzte Wort haben.
In Sport unterrichte unser Klassenlehrer. Wir bekamen ihn nicht allzu oft zu Gesicht eben nur in diesen Stunden. Vom sportlichen her gesehen war unsere Berufsschule eine Handballschule. Wenn Spiele auf dem Lehrplan standen, war es Handball. Das war neu für mich aber interessant. Ich kam aus einer Volleyballschule. Handball machte Spaß, im Gegensatz zu Volleyball war es eher ein ruppiger Sport. Im Fernsehen hatte ich das nie so empfunden. Zum Sportunterricht  gehörte auch das Schwimmen. Die Schwimmnote war eine Wichtige. Wer sie am Schuljahresende nicht nachweisen konnte wurde in der Sportnote herabgestuft. Für mich war das kein Problem, ich war ein richtig guter Schwimmer. Der Schwimmunterricht fand im Pirnaer Geibelbad statt. Das Geibelbad war ein Freibad, deshalb konnte der Schwimmunterricht nur im Sommer stattfinden. Zur Ausbildung gehörte der Sprung vom 3 – Meterbrett. Es war das erste Mal das ich von einem Sprang. Dabei war mir schon komisch, aber ein zurück gab es nicht. Ich musste an meinem Bruder denken, der hatte auf dies Art und Weise das Schwimmen von alleine erlernt. Als 8 jähriger war er immer vom 3 und 5 Meterbrett gesprungen ohne schwimmen zu können. Nach dem Auftauchen hatte er sich dann durch rumpaddeln an den Schwimmbeckenrand gewurschtelt. Da konnte ich mir doch als Jugendlicher keine Blöße geben.
Das Unterrichtsfach mit Zukunft war EDV, Frau Binneberg unterrichtete uns in diesem Fach. Frau Binneberg war ebenfalls mit dem Bergsteigersport verbandelt. Sie teilte in vielen Dingen die Meinung von Herschel. Die ersten Stunden lehrte sie uns die Lochkartentechnik und die Vorteile der Computertechnik. Die Rechner für die Lochkarten waren groß wie Wohnzimmerschränke. Sie war der Ansicht, dass in nicht allzu langer Zeit die Rechner nur noch halb so groß sein werden. Als Beweis in welche Richtung die Entwicklung geht zeigte sie uns einen Taschenrechner. Wir bewunderten das kleine Ding.
Fertigungsmittel unterrichtete Herr Bärwald. Er war noch ein jüngerer Lehrer. Auf dem ersten Blick wirkte er cool, aber er war es nicht. Seine Wesen war oftmals unausgeglichen und sprunghaft, ihm fehlte einfach die Lockerheit. Wir konnten ihn Anfangs schwer einordnen. Mit der Zeit kristallisierte es sich immer mehr heraus, er zählte zur „ Richterpartei“. Von da an hatte er es bei uns verspielt. Nur widerwillig folgten wir seinen Ausführungen. Er spürte es und versuchte mit Härte seine Linie durch zuziehen. Fast jeder bekam bei ihm eine 5, sogar Jürgen meinen Nachbarn erwischte es, gewöhnlich konnte er sich sonst jedem Lehrer anpassen. Er wurde richtig bleich vor Wut, soviel Temperament hatte ich ihm gar nicht zu getraut. Das Verhältnis Lehrer – Klasse wurde mit fortschreitender Zeitdauer immer schlechter.
Der Werkstoffkundelehrer hieß Werner. Schon im Vorfeld hatten wir vom zweiten Lehrjahr erfahren, er war Kampfflieger im letzten Weltkrieg gewesen. Wenn wir im Unterricht das Thema auf Flugzeuge bringen, wäre die Stunde gelaufen. Er machte auch gar keinen Hehl aus seinem Hobby und meinte dafür ist immer mal Zeit, wenn der Unterricht straff durchgezogen wird. Genau diese Lockerheit machte den Unterschied zu solchen Lehrern wie Bärwald. Vor Lehrern wie Werner hatte man Respekt und für solche wie Bärwald hatte man nur Verachtung, manche sicherlich auch Angst. Da spielte auch das Alter keine Rolle, Werner war ja immerhin kurz vor der Rente. Nur einmal tickte er völlig aus. Der Grund war eigentlich banal. Über die Schule flog ein Propellerflugzeug. Werner fragte, erkennt jemand am Motorengeräusch was das für eine Maschine ist. Frank sagte ein Segelflieger, wir feixten. Werner kam sich verarscht vor. Er wurde wütend und sagte laut, los Zettel raus, Leistungskontrolle. Euch werd ich es schon zeigen. Seine Wut verrauchte langsam als er die Aufgaben und Fragen an die Tafel schrieb. Ich kam mit einem blauen Auge davon. Einsen gab es keine. Auf die Arbeit bekam ich eine 3, damit war ich bei den Besseren.
Dann gab es noch die Fächer Betriebsökonomie und sozialistischer Recht. Letzteres wurde erst ab dem 2. Schuljahr gelehrt. Die Betriebsökonomielehrerin war im Schwangerschaftsurlaub. Das Fach sollte später beginnen. Als dann klar war, dass die gute Frau aus gesundheitlichen Gründen noch viel länger ausscheiden würde, übernahmen andere Lehrer abwechselnd die Stunden. Es war keine ideale Lösung aber es war eine.

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