Montag, 14. Februar 2011

Der erste Lohn


In der Berufsschule tat sich auch einiges. Herschel und Richter waren so richtig aneinander geraden und das kam so. Wir standen vor dem Unterrichtsraum dieser war zugeschlossen. Herr Richter kam des Weges und fragte in seiner Art nach, warum wir hier draußen rum stehen. Ich dachte, mein Gott ist das ein Rindvieh, dass kann er sich doch denken das hier zu ist. Irgendjemand sagte es ihm auch. Er wollte wissen wer uns als nächstes unterrichtet. Detlef sagte Herr Herschel, Richter holte tief Luft. In diesem Moment kam Herschel um die Ecke gepfiffen und sagte Guten Morgen, Jungs. Schon belferte Richter los, ich bin nicht ihr Junge Genosse Herschel. Herschel wurde blass, ignorierte die Bemerkung von Richter, schloss das Zimmer auf und sagte nur kurz, ach sie sind auch hier. Richter sagte, Genosse Herschel ich habe mit ihnen zu reden. Herschel tat so als ob er nichts hörte. Da brüllte Richter los, ob er ihn für dumm verkaufen wolle. Herschel schaute ihn an und sagte, er verkaufe überhaupt niemanden, aber sie verkaufen sich selber so und wenn sie mit mir reden wollen, ich bin für sie der Herr Herschel und nicht der Genosse Herschel. So könne er mit seines Gleichen reden aber nicht mit ihm. Richter brüllte wieder los, was er sich raus nimmt. Herschel sagte, das klären wir jetzt ein für alle mal beim Direktor und ging. Er drehte sich nochmals kurz um und meinte, der Unterricht fängt etwas später an, er bittet bis dahin um Ruhe. Richter stürzte ihm nach. Nach 20 Minuten kam Herschel wieder, er wirkte entspannt. Erwartungsvoll schauten wir ihn an. Er meinte es wäre nicht seine Art über solche Dinge zu reden aber wir hätten es nun einmal miterlebt. Für Direktor Gregor war es auch nicht ganz einfach. Da ist die Partei vertreten u. a. durch so einen wie Herr Richter und da sind wir anderen Kollegen die nicht der SED angehören. Die Partei tue sich keinen Gefallen, wenn sie so einen wie Herrn Richter auf die Menschheit los lässt. Aber vertan werden müssen solche Menschen auch. Selbst bei der NVA wollten sie ihn nicht mehr haben. Dort hatte man ihm nahe gelegt nach 25 Jahren Dienstzeit den Dienst zu quittieren. Irgendwie fand ich diesen Fakt beruhigend, denn zur Armee mussten wir Lehrlinge alle noch. Steffen meinte, dem seine Frau könne einem Leid tun. Herschel sagte, so einer hat keine Frau. Das Gute für uns war, der Unterricht bei Herschel war gelaufen. Herschel erzählte das er mit seiner Frau aktiv klettern geht. Das hatte man schon öfters gehört, dass Bergsteiger widerspenstige Menschen sind. Jetzt hatten wir so einen als Lehrer.
Am Ende des ersten Monats unserer Lehre bekamen wir unser erstes Lehrlingsentgelt. Wir hatten Glück. Zu irgend so einem Parteitag hatte die SED beschlossen, dass alle Lehrlinge in der DDR ab September 76 10 Mark mehr Lehrlingsentgelt bekommen. Also waren 90,00 Mark in der Lohntüte. Das war schon ein geiles Gefühl das erste selbst verdiente Geld. Aber wie schon Anfangs erwähnt nach Abzug der Festkosten blieb nicht allzu übrig. Jetzt hatte ich die Wahl ein ganz solider, sittsamer Mensch zu werden um mit dem verdienten aus zukommen oder ich musste mir was dazu verdienen. Ich entschloss mich für Letzteres. Schon Ende der 10. Klasse hatte ich ab und an für Roland Fotos in der Schule verkauft. Roland hatte zu Hause eine komplette Einrichtung für ein Fotolabor. Das fing mit einer guten Spiegelreflexkamera an und endete bei der Einrichtung für eine Dunkelkammer. Roland fotografierte aus Westzeitungen, woher er diese her hatte wusste ich nicht, schwere Motorräder, Schlagerstars und Rockgruppen aus dem westlichen Ausland ab. Also alles Dinge, die es in der DDR nicht gab, verboten oder nicht erwünscht waren. Damit konnte man ordentlich Kohle machen. Ich übernahm nicht nur den Vertrieb, immer öfters half ich ihm bei der Herstellung der Fotos. Nach Abzug der Kosten blieben in einem guten Monat 100 -200 Mark hängen. Wir beschlossen die Hälfte davon zu sparen für die Silvesterfeier. So blieben uns immer noch ein paar Pfennige für ein Bierchen. Ganz so ohne war die Geschichte nicht. Ein Lehrer wie Richter, wenn er Wind davon bekommen hätte, hätte uns gewaltigen Ärger bereiten können.

                                                   





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