Montag, 14. Februar 2011

Sommerzeit

Montag Früh raffte ich mich wieder auf und ging mehr oder weniger Lustvoll auf Arbeit. Auf Arbeit ging es ruhig zu. Das zweite Lehrjahr musste das letzte halbe Jahr in die Produktion und ein Großteil meines Lehrjahres war im Urlaub. Die Fahrschule viel aus. Der Lkw war kaputt und ehe die neue Lichtmaschine kam sollten noch zwei Wochen ins Land gehen. Ich hatte das Gefühl die Welt drehte sich etwas langsamer. Nach Feierabend ging ich zum Friseur. Ich ging nicht gerne, denn der Friseur schnitt die Haare sowieso nie richtig aber es musste mal sein. Auf alle Fälle ließ ich sie mir kurz schneiden, so das meine beiden Löffel schön zu sehen waren. Ich fand nach dem schneiden, sie waren zu kurz geworden, die Haare und war unzufrieden. Vater sagte, endlich siehst du mal vernünftig um die Haare aus. Da wusste ich es, wenn Vater es in Ordnung fand, dann sah es scheiße aus. Am nächsten Tag griente mich Leinert auf Arbeit an und fragte boshaft, was denn mit meinen Haaren passiert wäre. Ich sagte, ich habe sie mir extra kurz schneiden lassen, damit ich nicht aussehe wie sie. Leinert schluckte, ich ließ ihn stehen. Er konnte mir sowieso nichts mehr, er würde ab September das neue Lehrjahr übernehmen. Am Abend viel es mir wieder ein. Ich wollte doch Gerhard diese Zeitung schicken. Nach kurzem suchen fand ich sie im Altpapier. Dann sauste ich in den Buchladen auf der Nürnberger Straße und kaufte drei Fachbücher über Atomenergie. Ich bezahlte keine 15 Mark dafür. Bücher waren immer recht preiswert. Vater fragte mich, was ich da mache. Ich erzählte es ihm. Er meinte da wirst du wohl kein Glück haben mit dem Paket. Ich schaute ihn fragend an. Naja, meinte er die Post wird das Paket kontrollieren und die Bücher zurückhalten. Ich sagte, das darf die Post gar nicht. Vater meinte, aber die Stasi. Es ist verboten Bücher in die BRD zu schicken. Ja, Politische sagte ich, aber das ist doch Fachliteratur. Wir werden sehen, meinte er. Ich schrieb einen Brief an Gerhard, dass ich ihm das Versprochene abgesendet habe. Nach drei Wochen erhielt ich einen Brief von Gerhard, das noch nichts angekommen ist. Ich schrieb ihm zurück, das er noch 2 Wochen warten soll und sich nach Ablauf der Frist abermals bei mir meldet. Ich hörte nie mehr was von Gerhard, da hatte Vater also recht behalten.
Inzwischen hatten ein Teil der ein Jahr Älteren ihre Einberufung erhalten. Bei uns aus dem Haus war das Heinz Hentschel, Falk Kutschbach und Uwe Wobser. Wowi hatte sich als einziger für 3 Jahre Armee verpflichtet, sonst hätte er seinen Facharbeiter nicht bestanden. Auch Hüni hatte seine Einberufung erhalten. Er hatte riesiges Glück, er brauchte nicht all zu weit, sie hatten ihn nach Döbeln einberufen. Döbeln war eine kleine Kreisstadt und lagen zwischen Dresden und Leipzig, nahe der Autobahn. Für Heinz und Falk sah es nicht so gut aus, sie kamen zu den Grenztruppen. Die Grundausbildung im ersten halben Jahr wurde in Rudolstadt durchgeführt.  Sie hatten auf alle Fälle den längeren Weg und die Gewissheit dass er nach dem ersten halben Jahr noch länger werden würde. Herr Kutschbach Senior, wir nannten ihn, wenn wir Jugendlichen unter uns waren, immer nur bei seinem Vornamen Hans – Ulli, war mächtig stolz auf seinen Großen. Hans - Ulli war der Meinung nur die Besten und zuverlässigsten kommen an die Grenze. Wie er zu dieser Meinung kam war mir schleierhaft. Jeder wusste doch, nur wer keine Westverwandtschaft hatte kam an die Grenze. Man konnte sich das Parteiabzeichen auf die Stirne brennen lassen, hattest du Verwandte im Westen, kamst du nicht an die Grenze. So einfach war das. Für Typen wie mich und mein Bruder war das nicht schlecht. Der Grenzdienst war für uns passee. Überall erzählte Hans - Ulli sein Sprüchel egal ob man es hören wollte oder nicht. Aber ansonsten war er in Ordnung. Hans - Ulli war der Hans Dampf in allen Gassen. Musste irgendetwas bewegt, erneuert oder organisiert werden, Hans - Ulli war immer zur Stelle. Er ließ es auch jeden wissen, wenn wieder etwas fällig war. Hans - Ulli war stimmgewaltig. Klingel benutzen und dann rufen und zwar so das es alle hörten. Schon Kult war der Ruf nach seiner Frau, das Treppenhaus erbebte wenn er erklang, Juuutsch.  Frau Kutschbach hieß mit Vornamen Jutta. Meistens sollten Jens oder Falk Sachen aus dem Auto holen, sie schickte ihre Söhne dann immer los.
Am Sonntag wollten die Jungs aus dem Urlaub kommen. So wie ich sie kannte, würden sie vor 20 Uhr nicht eintreffen. Also machte ich mich am Sonntag Nachmittag alleine auf in die Wirtschaft. Lustlos schlenderte ich durch die Freiluftdisco. Fast wäre ich mit jemand zusammen gerannt. Ich schaute auf, vor mir stand Peter Liebscher. Peter war mit mir 10 Jahre in die Klasse gegangen und wohnte nur drei Ecken weiter. Wir hatten uns seit der Schule nicht mehr gesehen, wie das Leben so spielt, man wohnt gleich um die Ecke und sieht sich doch nicht. Der neue Lebensabschnitt hatte seine Spuren schon hinterlassen. Ich war baff, Peter hatte ich hier noch nie getroffen. Umso mehr freuten wir uns, das wir mal Zeit zum quatschen fanden. Unweit von uns standen zwei Mädels, sie grüßten zu uns rüber. Kennst du die, fragte ich Peter?  Ja das sind Petra und Verena, die habe er schon des Öfteren getroffen. Sie kamen zu uns rüber, Petra quasselte auch gleich los. Ich sagte, Mädel mach mal langsam und las uns erst mal tanzen gehen. Sie erzählte mir, das sie am Goldenen Reiter wohnt zusammen mit Verena. Ich sagte die Häuser sind doch alle gesperrt, die sollen ja für die neue Flaniermeile weg gerissen werden. Petra sagte, sie wohnen dort illegal. Wenn sie abgerissen würden, bekämen sie neuen Wohnraum und zwar offiziell vom Staat. Was es alles so gibt dachte ich und fragte sie was sie beruflich so macht? Petra druckste rum, mal dies mal das. Spöttelnd meinte ich was ist das denn für ein merkwürdiger Beruf? Wenn du es genau wissen willst sagte sie, wir beide machen zusammen Pornos und wir verdienen uns auch so noch nebenbei Geld. Mir blieb die Sprache weg. Petra fragte bist du stumm?? Nö, sagte ich, aber verdauen muss ich es erst einmal. Nach einer Weile meinte ich zu ihr, das ist doch verboten. Na und, da kann man aber einen Batzen DM verdienen, antwortete sie. Die Westler sind ganz scharf auf uns Ostfrauen. Nach dem tanzen gingen wir zurück zu Peter und Verena und plauderten noch bis 19.00 Uhr. Peter meinte er müsste los, Verena nutze die Gelegenheit um sich zu verdünnisieren. Ich fragte Petra und was machen wir zwei Hübschen? Sie schmiegte sich an mich und sagte komm mit zu mir nach Hause und bleib bis morgen Früh. Ich sagte, viel Geld kannst du aber mit mir nicht machen und grinste. Sie sagte nur, komm. Im Treppenhaus zog es mir die Latschen aus, mein Gott wie sah es hier nur aus. Wir stiegen über Schutt – und Müllberge bis hinauf in die oberste Etage. Petra hatte sich schon längst daran gewöhnt. Umso überraschter war ich über die Ordnung in der Wohnung. Die Wohnung war blitzeblank sauber, einfach aber nett eingerichtet. Wir gingen in ihr Zimmer und machten es uns gemütlich. Ich war aufgeregt und versuchte es mir nicht anmerken zu lassen. Das erste Mal war ich mit einer Frau alleine in einer Wohnung über Nacht. Was wohl Vater sagen wird, wenn er merkt das ich nicht nach Hause kam? Ich bekam meinen Kopf so schnell nicht frei. Dem entsprechend dusselig stellte ich mich am Anfang an. Zwischenrein kam Verena mit ihrem Macker nach Hause. Bevor sie in ihrem Zimmer verschwand steckte sie ihren Kopf zur Tür herein und begrüßte uns mit den Worten, na macht`s Spaß. Es dauerte schon ein bis zwei Stunden bis ich zur Höchstform auflief, aber dann ging es munter zu bis Früh 03.00 Uhr. Anschließend machte ich mich auf den Weg, Richtung Arbeit. Flugs schlich ich in die Wohnung und machte mich im Bad erst einmal frisch. Fix schmierte ich mir noch eine Schnitte, da stand Vater gerade auf. Er hatte nichts gemerkt und ich war froh, dass ich ihm nichts zu erklären brauchte. Auf Arbeit hing ich durch wie eine Bogenlampe. Lehrmeister Kürz, der uns in der Ferienzeit beaufsichtigte fragte, Müller was ist denn mit Ihnen los? Ich erklärte es ihm. Er klopfte mir auf den Rücken und meinte, irgendwann werden wir alle erwachsen.
Ein paar mal traf ich mich noch mit Petra, dann wurde mir die Kiste zu heiß. Einer geregelten Arbeit ging Petra eigentlich nicht nach und was ihre Pornos betraf, da wusste man auch nicht, ob man sich was weg holte. Trennungsschmerzen hatte Petra damit sowieso nicht, der Nächste wartete schon.



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