Dienstag, 15. Februar 2011

Hausarbeit

Gleich am Anfang des neuen Lehrjahres bekamen wir unsere Hausarbeit zugeteilt. Wir hatten ein reichliches viertel Jahr Zeit diese zu schreiben. Als Mentor bekamen ich Herrn Gedlich zugeteilt. Herr Gedlich hatte zwei Lehrlinge zu betreuen, auch den besten Lehrling von uns betreute er, Uwe Becker.  Ich bekam von Eckhold ein Gußteil in die Hand gedrückt, dieses sollte ich nicht nur beschreiben, es musste eine Gießform von diesem Teil entwickelt werden, samt Zeichnung. Ich machte mir bei Zeiten Gedanken um meine Hausarbeit. Das Gussteil zeigte ich Peter und Doris und beide konnten mir hilfreiche Hinweise geben, wie ich die Sache am besten bewerkstelligen konnte. Peter meinte den Gedlich hätte er auch als Mentor gehabt. Das ist ein absolutes Arschloch, bei dem musst du aufpassen. Geh bei Zeiten ihn um Rat fragen, der hat die kleine Männer Krankheit. Der versucht ernsthaft jedes Jahr seine Lehrlinge durchfallen zu lassen, in denen er ihnen Betrug unterstellt. Schon Eckhold hatte uns vor Betrug gewarnt und uns im Betrugsfall gleich die Konsequenzen erklärt. Gedlich wurde von anderen Mitarbeitern nur als der Giftzwerg betitelt. Er war nicht nur klein, er war auch sehr sportlich und vor allem egoistisch. Im Betrieb arbeitete er als Konstrukteur. In seiner Freizeit betrieb er Alpinistik und zwar auf einem so hohen Niveau, das es für die Nationalmannschaft reichte.  Es kam öfters vor das er die 15 km auf  Arbeit rannte. Dabei hielt er in den Händen Gummiringe die er bei jedem Schritt zusammenpresste. Auf diese Weise stärkte er seine Handmuskulatur. Im Winter kam er mit Skiern gefahren. Vor ihm musste ich also aufpassen.
Noch hilfreicher war Dorit. Sie schaute sich das Gussteil an und meinte sie hätte bis auf eine Kleinigkeit  das Selbe gehabt. Ich fragte sie was sie denn für eine Zensur erhalten hätte, auf ihre Arbeit. Eine 1 was sonst sollte eine ehrgeizige Frau bekommen. Ob sie mir ihre Hausarbeit borgt, wollte ich wissen? Sie überlegte eine Weile und sagte, das ist Betrug wenn ich sie dir gebe. Nein sagte ich, ich will sie ja nicht abschreiben, aber es macht leichter. Eigentlich hatte sie auch keinen Grund mit mir dumm zu tun. Ich hatte sie nie geärgert. Im Gegenteil für ihren Sport den sie betrieb, hatte ich sie immer bewundert. Sie war Dritte bei den DDR Meisterschaften in ihrer Gewichtsklasse im Judo geworden. Dafür nahm sie einen hohen Preis in kauf. Als ich mit der Lehre angefangen hatte, erzählte Zwiebel im zweiten Lehrjahr gibt es ein Mädchen. Ich stritt lange mit ihm, bis mir Bernd vom zweiten Lehrjahr bestätige die Person neben ihm an der kleinen Drehbank ist ein Mädchen.
Letztendlich gab sie mir ihre Hausarbeit. Sie war eben doch eine Liebe.
Einen Lehrfacharbeiter bekam ich auch zugeteilt. Er hieß Rainer Kynast und war einer von den Vernünftigen. Er arbeitete neben mir an der Fräsmaschine. Leider arbeitete er selten in meiner Schicht. Aber er gab mir auch so manchen Tipp, zu meiner Hausarbeit. Nach einem Monat raffte ich mich auf und schrieb mein Konzept. In Doris Hausarbeit konnte ich manch nützlichen Hinweis finden. So benötigte ich vielleicht ein Viertel der eigentlich Zeit. Damit rannte ich zu Gedlich. Dieser fühlte sich sichtlich geschmeichelt, als ich ihn Ansprach und die Bitte äußerte, einmal auf das Konzept zu schauen und mir mit seinem fachlichen Rat zur Seite zu stehen. Seine Mundwinkel zogen sich bis zu den Ohren hoch. Das würde er gern tun, ich hätte schon mal eher bei ihm vorbei schauen können, meinte er. Es hätte mir gut gestanden, ihn zu jedem Kapitel im Einzelnen zu fragen.  Du Spinner, dachte ich. Nach einer Woche gab er mir mein Konzept wieder, mit einigen Korrekturen und Anmerkungen. Ich erzählte Uwe was ich bei Gedlich erlebt hatte. Er winkte nur ab und meinte, da ist noch genug Zeit. Anschließend ging ich ins Gussformenlager um mir die Gießform einmal anzuschauen. Herr Reinhold der das Lager verwaltete, meinte die Gussform ist vor einem Jahr verschrottet worden. Das war natürlich dumm, aber es gab noch eine andere Möglichkeit. Ich ging zu den Konstrukteuren und bat sie einmal nachzuschauen ob von der Gussform noch eine Zeichnung existierte. Auch hier hatte ich Pech, es gab keine Zeichnung mehr. Die von Doris wollte ich keinesfalls verwenden, irgendwie hatte ich das dumme Gefühl, das damit etwas nicht in Ordnung wäre. Ich sprach mit Conny über meine Hausarbeit. Sie wollte mir die Hausarbeit auf der Maschine tippen. Das war gar nicht so ohne, ein Tippfehler und die ganze Seite musste neu geschrieben werden. Wegen der Zeichnung wollte sie ihre Zeichnerinnen in der Firma fragen. Eine ihrer Kolleginnen erklärte sich bereit für 50 Mark die Zeichnung zu fertigen.  Ich machte eine Skizze, wie die Gießform aussehen könnte. Ich war von der fertigen Zeichnung begeistert, nun musste ich mich noch intensiv mit ihr auseinandersetzten. Die Hausarbeit abgeben war die eine Sache, sie musste noch verteidigt werden. Auch die anderen Jungs von meinem Lehrjahr befassten sich eifrig mit ihrer Hausarbeit. Jeder versuchte so gut wie möglich mit dem Arsch an die Wand zu kommen. Es kostete jedenfalls eine Menge Freizeit. Untereinander tauschten wir uns immer über den Stand der Dinge aus. Kurz vor Weihnachten mussten wir die Hausarbeit abgeben, so zu sagen als Weihnachtsgeschenk.

In der Küche riecht es lecker
Ähnlich wie beim Zuckerbäcker
Oh es riecht gut – Oh es riecht fein
Heut rührn wir Teig zu Plätzchen ein*
*Volkslied


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