Montag, 14. Februar 2011

Die Liga

Auch auf den Weg zur Arbeit hatte sich einiges geändert. Mit Beginn des zweiten Lehrjahres ging ich mit einer wahren Begeisterung Früh zur Arbeit. Der Grund war einfach, ein Mädchen. Die Schöne hieß Anette, war ein Jahr jünger wie ich und lernte in einer großen Druckerei. Anette wohnte im Nachbarhof. Sie ging während ihrer Schulzeit in die 3. Oberschule. Deswegen war sie mir nie aufgefallen. Na gut, während der Schulzeit war mein Blick für solche Dinge noch recht getrübt gewesen. Das hatte sich ja nun mittlerweile gegeben. Zufälligerweise fuhr Anettes Zug nur zwei Minuten später wie meiner. Aus diesem Grund trafen wir uns des Öfteren auf dem Weg zum Bahnhof. Anette hatte ich beim Embryoschups in der Wirtschaft kennen gelernt. Sie war eine von den ganz Ruhigen im Gegensatz zu ihrer Freundin Gabi. Bei ihr ging der Mund nie zu. Beide waren wie Zwillinge, wo die Eine war, war die Andere nicht weit. Anette sah man selten mit Männern, im Gegensatz zu Gabi. Anette war schlank, Gabi leicht untersetzt. Gabi trug ihre Nase immer etwas hoch, Anette nie. Gabi hatte eine Haarmähne, Anette eine Kurzhaarfrisur. Der Spruch Gegensätze ziehen sich an, traf für sie voll zu. Hübsch waren sie allerdings beide. Um ehrlich zu sein, Anette machte mir von Anfang an keine großen Hoffnungen, dass aus uns beiden ein Traumpaar würde. Wir mochten uns beide, verstanden uns auch gut aber mehr war nicht, leider. Ich hatte mich manchmal gefragt, warum man sie selten mit einem Mann sah. Irgendwann fragte ich sie selber danach. Thomas sagte sie, ich habe da so gewisse Vorstellungen und diesem Ideal kommen sehr wenige Männer nah. Mich interessierte brennend wie ihr Ideal aussah und war. Ich wollte es unbedingt erfahren. Sie schüttelte nur den Kopf, das kannst du nicht verstehen. Anette war und blieb ein Buch mit sieben Siegeln, zumindest für mich.
Es war mal wieder Samstag. Roland, Becki, Hüni und ich hatten beschlossen in die Liga zu gehen. Die Liga war das verrufenste Tanzlokal in Dresden. Drei Säle, drei Möglichkeiten hieß es im Volksmund. Auf alle Fälle verkehrten dort viel Ausländer. In erster Linie Ungarn und Algerier und diese zählten nicht unbedingt zu den Eliten in ihren Heimatländern. Es kam wie es kommen musste, wenn Gastarbeiter ohne Frauen in fremde Länder geschickt wurden. Da waren Reibereien und Schlägereien schon vorprogrammiert. Alkohol und Neid auf Frauen waren ein gefährliches Gemisch und so entlud sich in der Liga die Wut der Schwanzgesteurten. Anfänglich schütze die Polizei immer die Ausländer. Als wir in der Liga aufkreuzten hatte sich das Blatt allerdings gewandelt. In der Zwischenzeit hatten sich die Ungarn und Algerier gut organisiert und griffen immer wieder die Polizei an. In Bischofswerda hatten sie versucht ein Polizeirevier zu stürmen. Seit dem sprang die Polizei nicht mehr so freundlich mit ihnen um. Frauen die sich mit Ausländern einließen wurden von der Bevölkerung gemieden. Offiziell gab es keine Diskriminierung von diesen Frauen und den Ausländern. So etwas hätte der Staat nie geduldet. Aber in unsere Köpfe konnte er ja nicht reinschauen und wir hatten gelernt unsere wahren Gedanken zu verbergen.
18.00 Uhr machten wir los, es war schon spät. 19.00 Uhr begann der Einlass. Wir fuhren mit der Straßenbahn. Die Linie 11 brachte uns zum Altmarkt. Hier stiegen wir in die 8 Richtung Hellerau. Am Dr. - Kurt – Fischer - Platz hatten wir unser Ziel erreicht. Gleich neben dem Wehrkreiskommando befand sich die Liga. Um Himmelswillen, es stand eine Schlange davor, da bekamen höchstens zwei Drittel der Leute eine Eintrittskarte. Es sah schlecht aus für uns. Wir gingen trotzdem mal schauen. In der Schlange ziemlich weit vorne sah ich Anette und Gabi. Schnell drängelte ich mich zu den Mädchen durch und bat sie 4 Karten mit zubringen. Hinter mir murrte irgend so ein Kunde rum, ich soll mich gefälligst hinten anstellen. Gabi drehte sich um und meinte mit einem charmanten Lächeln, halt die Klappe. Sie brachten vier Karten mit raus. Dafür griff sie mir gleich in die Zigarettenschachtel. Als sie merkten das ich auch nicht mehr viel hatte sagte Gabi, mach dir keine Gedanken wir besorgen Euch dann welche. In solchen Dingen waren die beiden einsame Spitze. Sie machten sich an die Kerle ran und kamen dann bestückt mit Zigaretten zurück. Während Gabi die Männer besoffen quasselte, erledigte Anette solche Dinge mit einem Augenaufschlag. Roland mochte Gabi nicht, warum das wusste er, glaube ich, selber nicht. Aber das mit den Zigaretten fand auch gut. Rolands Probleme mit Frauen waren nicht weniger geworden. Nach dem Sylvia und ich unsere Liebelei beendet hatten, traf sich Roland noch ein paar Mal mit Irmchen. Eines Tages kam er völlig frustriert von einem Treffen mit ihr und meinte jetzt wäre Schluss. Ich fragte ihn ob er darüber reden will. Er schüttelte den Kopf.
An diesem Abend sollte es noch hoch hergehen in der Liga. Einer von den Alis kam an unseren Tisch und machte Gabi dumm an. Sie verbat sich den Ton, aber der Kerl ließ nicht locker. Ich sagte zu ihm es reicht, verschwinde. Das fand er nicht lustig und beschimpfte mich. Becki saß neben ihn. Er stand auf und sagte es ihm noch einmal ganz deutlich, verschwinde. Der Ali trollte sich. Aber er konnte es nicht sein lassen, er kam immer wieder um zu stänkern. Er versuchte noch ein paar Landsleute auf zuhetzten. Aber die hatten keine Lust sich mit uns anzulegen. Sonntag Früh 01.00 Uhr war Schluss, ich stand an der Gaderobe
und wollte unsere Sachen holen. Hinter mir war Gerangel, ich drehte mich um und sah wie unseren Freund aus Algerien Becki  anfasste. Becki hatte die Nase voll, er drückte ihm die Faust zwischen die Augenbrauen. Der flog gegen die Wand. Sofort war der Leader der Algerier da, der hatte ein Kreuz und eine Frisur wie so ein Saharalöwe. Ich dachte jetzt geht’s los und bereitete mich seelisch und moralisch auf eine Schlägerei vor. Aber er sagte zu meinem erstaunen, Deutsche und Algerier Freunde. Kurz darauf wurde mir auch klar warum. Die Doppeltüre ging auf und es kamen 5 Bereitschaftspolizisten mit Hunden in das Gebäude.
Mit der Bereitschaftspolizei war nicht zu spaßen und mit den Hunden schon gleich gar nicht, das wussten die Alis ganz genau. Vermutlicher Weise hatte der Einlass der Polizei signalisiert, das in der Disco dicke Luft war.
Wir schlugen nun des Öfteren hier auf. Gleich beim nächsten Mal lernte ich ein rothaariges Mädchen kennen. Eine mit naturroten Haaren wollte ich schon immer mal vernaschen. Es hieß immer die wären besonders scharf. Wie soll ich es sagen, schüchtern war sie auf alle Fälle nicht. Ich brachte sie nach Hause. Weit mussten wir nicht laufen. Sie wohnte gleich 5 Häuser weiter und lebte noch bei ihren Eltern, erzählte sie mir zu mindestens. Im Schattenwinkel der Hausbeleuchtung küssten wir uns. Mit der Hand fuhr ich in ihre Hose. Tatsache sie war richtig nass im Schritt. Ganz leise fing sie an zu stöhnen. Es war wie Musik in meinen Ohren. Auf einmal wurde es laut im Haus, es fing an zu poltern und zu rumoren. Erschrocken schauten wir auf, ich zog meine Hand aus ihrer Hose. Sie sagte das wird doch nicht mein Vater…. Da ging die Tür auch schon auf, die Person brüllte du Schwein. Flugs sah ich zu das ich weg kam, ein Gegenstand flog an meinem Kopf vorbei. Der Kerl sah aber nicht aus wie ihr Vater, vielleicht war es ihr Mann, wer weis. Aber nach ihrem Namen hätte ich sie wenigstens fragen können.
Zwei Wochen später traf ich sie wieder in der Liga. Mit einem Lächeln im Gesicht fragte ich sie ob es möglich sein könnte, das sie vergessen hat mit etwas zu erzählen? Eigentlich nicht meinte sie, der Kerl wäre ihr Verlobter gewesen. Er geht immer nach der Spätschicht einen Trinken, diesmal war er eben schon zu Hause.
An diesen Abend waren Roger und Gerd mit. Beide kellnerten gewöhnlich in der Mitropa. Heute hatten sie frei und gaben einen Aus. Da beide einen Teil der Kellner in der Liga kannten servierten diese besonders flott. Genauso sah ich zum Feierabend aus, ich war ordentlich abgefüllt. Aber das war nicht weiter dramatisch, Roland war mit dem Auto, also musste ich mich auch nicht nach Hause quälen. Das eigentliche Problem war die Personenanzahl. In das Auto passten 5 Personen, wir waren aber sieben. Freiwillig erklärte ich mich bereit auf der Ladefläche im Kombi mitzufahren, Becki kroch ebenfalls mit hinten rein. Im Auto lagen genug Decken herum. Zweie unter uns und zwei über uns, da konnten wir uns bei einer Verkehrskontrolle notfalls darunter verstecken. Wir mussten nach Pirna, Gerd wohnte da mit seiner Freundin. Die Wohnung befand sich direkt im Bahnhofgebäude. So etwas hatte ich auch noch nicht gesehen. Mensch, lallte ich da brauchst du gar keine Uhr, da genügt ja der Fahrplan, wenn du wissen willst wie spät es ist. Ich hatte die Lacher auf meiner Seite.

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