Montag, 14. Februar 2011

Das liebe Bier


Abpropo Bier trinken, die Dresdner Südvorstadt in der wir wohnten, war nicht besonders reich mit Gaststätten gesegnet. Am nächsten war die Mitropa. Die Mitropa war eine Deutsch-Französische Aktiengesellschaft die mit der Reichsbahn verwoben war. Also gehörten alle Bahnhofsgaststätten und Speisewagen der Reichsbahn der Mitropa. Das war in der DDR ein erträgliches Geschäft, da die Restaurants für gewöhnlich immer voll waren. Dann gab es noch eine Selbstbedienungsgaststätte auf der Prager Straße, die Bastei. Wir nannten sie Stahlstuhl. Die Rahmen der Sitzgelegenheiten verliehen der Gaststätte den Spitznamen. Sie waren aus Stahlrohren gefertigt und auf dem Boden verschraubt. Die Lehnen und Sitzflächen selber waren mit weichem bequemem Polstermaterial versehen. In beiden Gaststätten wurde ein gutes und süffiges Pilsner ausgeschenkt. Im Stahlstuhl kam der  halbe Liter eine Mark in der Mitropa 10 Pfennig mehr. Das war in der DDR gar nicht so selbstverständlich. Es gab Brauereien die ein furchtbares Bier brauten, das an heißen Tagen schon nach kurzer Zeit flockte oder trübe wurde. Immer öfter gingen wir in die Mitropa. Das hatte verschiedene Gründe. Da gab es den Saal Meißen und den Saal Pirna. Sehr oft standen die Gäste nach Plätzen an. Ein Schild mit der Aufschrift „ Sie werden platziert “ machte allen Gästen klar wer hier das sagen hatte, nämlich der Kellner. Das traf aber nicht für uns zu. Wir gingen an der murrenden Schlange vorbei und wurden sofort platziert. Schließlich waren wir Stammgäste. Ja und die Kellner waren in der Mitropa meistens Kellnerinnen und was für welche. Das waren richtig Hübsche oder wenigstens ganz, ganz Nette. Da gab es z. B. Gabi, das war eine von den Älteren, sie war schon über 25, ganz schlank, trug ihren Rock eine handbreit unterm Hintern. Sie hatte ein bildhübsches Gesicht. Aufgrund ihrer schlanken Beine nannten wir sie Storchbein. Von den Kellnern waren Gerd und Roger die Sympathischsten, für dumme Sprüche hatten sie immer ein Ohr offen und hatten auch jede Menge selber auf Lager. Man lernte ein Haufen neue Gesichter kennen, Nette und auch weniger Nette. Da waren zum Beispiel Lothar und Hucke. Beide arbeiteten bei den Verkehrsbetrieben und waren ehemalige Straßenbahnfahrer. Aus irgendeinem Grund hatte man sie von der Glocke runter genommen. Darüber ließen sie sich nicht aus. Bei Hucke hatten wir so den Verdacht, dass er nicht ganz richtig mehr im Kopf war. Sie waren aber harmlos und eher nette Typen. Dann war da noch Paul, er war Rechtsanwalt, ein großer stattlicher ergrauter Mann, der gerne mal einen über den Durst trank und am Tisch schlief. In seinem Schlepptau taucht auch Rainer mit auf. Er war ehemaliger Oberst bei der NVA und jetzt Professor für Marxismus und Leninismus an der Kunstakademie Dresden. Beide waren natürlich in der Partei, ließen aber nur ganz selten mal rote Sprüche vom Stapel. Zu den roten Brüdern gesellte sich noch Gerhard, er war Polizist ein einfacher Kantenlatscher, so nannten wir die Streifenpolizisten. Sein Gemüt war recht bescheiden. Aber jede Menge Bier passte in ihm rein, da staunte ich nicht schlecht. Streit hätte ich mit so einem Stiernacken nicht haben wollen. Eines Tages tauchte dann noch Peter auf, auch er war Polizist, frisch von der Schule. Um ehrlich zu sein, ich dachte der hat sein Leben lang noch nie eine Schule gesehen, so dumm war er. Eben ein richtiger Polizist, wie er im Buche stand. Roland sagte zu mir, den testen wir jetzt mal. Wir einigten uns auf ein Verkehrsschild, den Wildwechsel. Roland sagte das heißt Rehwechsel. Ich darauf, das sieht aber eher wie ein Hirsch auf dem Schild aus und muss Hirschwechsel heißen. Wir taten so als stritten wir. Mensch Peter was sagst du denn dazu? Die Antwort haute mich beinahe vom Stuhl. Er sprach im vollen Ernst, das Schild heißt Hirschsprung und ab dem Verkehrsschild muss 1 km 30 km/h gefahren werden. Ich trank gerade ein Schluck Bier, verschluckte mich und das Bier lief mir aus der Nase. Es brannte höllisch. Wir lachten oft über seine Dummheit. Ich dachte der merkt das überhaupt nicht. Aber eines Tages brüllte er uns an, ob wir dachten er wäre blöd. Hüni bemerkte nur trocken, he du mein Guter das denken wir nicht, das wissen wir. Seit dem grüßte er uns nicht mehr, wir ihn dafür um so lauter. Er hasste uns. Aber es gab auch Dinge die machten mich nachdenklich. Wie es der Zufall so wollte, eines Tages saß ein Asiate bei uns am Tisch. Wir merkten bald, dass er ganz gut deutsch verstand und sprach, er war Kambodschaner und hieß Sam. Ab und an brachte er seinen kleinen Sohn Kim mit. Er erzählte uns, seine Frau arbeitet in der Mitropa als Tellerwäscherin. Das würde ganz gut bezahlt und außerdem wäre die Arbeit gut für die Wiedereingliederung in das tägliche Leben. Ich fragte ihn, wie er das meint. Darauf antwortete er, dass sie bis vor wenigen Wochen noch in der Nervenklinik gewesen war. Neugierig wie ich war, bohrte ich weiter, wie denn das passiert sei. Sie hat versucht sich das Leben zu nehmen, dass Pol Pott Regime hatte ihre Eltern umgebracht, seine 12 Brüder und seinen Vater. Schlimm, Schlimm, dachte ich, aber war Pol Pot nicht ein Kommunist? Bei Gelegenheit musste ich mal Rainer fragen, als Prof. für M/L musste er doch so etwas wissen. Die Gelegenheit sollte sich bald ergeben. Er meinte, der Pol Pot will so eine Art Steinzeitkommunismus aufbauen und lässt alles umbringen, was ein bisschen gebildet ist. Da genügt es schon, wenn Du Brillenträger bist. Viel übler als Mao noch, das hätte überhaupt nichts zu tun, mit dem was man hier unter Kommunismus versteht. Pol Pot und die Roten Khmer lassen sich auch von den USA hofieren und die unterstützen bekanntlich alles was gegen die Sowjetunion und deren Verbündete ist. Das schien mir logisch, die USA hatten ja auch den grausamen Krieg gegen Vietnam geführt und waren für ihre antikommunistische Einstellung bekannt.

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