Montag, 14. Februar 2011

Fahrschule, Bauernfänger, Musterung


Bei der GST Ausbildung hatte für uns die Fahrschule begonnen, mit der theoretischen Ausbildung. Vorgesehen waren 25 Doppelstunden Vorfahrt und Verkehrsregel und noch einmal 25 Stunden für die LKW – Technik. Eckhold hängte seine dicke Nase natürlich da mit rein. Er war der Meinung diese Anzahl von Stunden brauchen wir niemals. Mir wurde ganz anders. Die anderen hatten alle den Mopedschein oder die Fahrerlaubnis für das Motorrad gemacht. Aber ich hatte mich überhaupt noch nie mit so etwas beschäftigt. Erschwerend kam hinzu, das seit einem halben Jahr eine völlig neue Fahrprüfung gesetzlich in der DDR verankert war. Konnte man bei der alten Fahrschulprüfung die Antworten stur auswendig lernen, so war das seit 1977 nicht mehr möglich. Es konnten sogar bei einer Frage mehrere Antworten richtig sein. Nach zwei Doppelstunden war Eckhold der Meinung, wir sind reif für die Prüfung. Nicht einer bestand Sie. Jetzt hatten wir noch zweimal die Möglichkeit durchzufallen. Eckhold setzte noch einmal eine Doppelstunden an. Uwe Schewior und Thomas Milger bestanden die Prüfung, der Rest nicht.
Auf Arbeit bastelten wir immer noch an unserem Gesenk rum. Der größte Teil der Arbeit war geschafft. Einen Monat würde es aber bestimmt noch dauern, wir hatten ja zwischenrein auch noch Berufsschule. Eines Morgens tauchte auf Arbeit ein Offizier auf. In seinem Schlepptau befanden sich zwei Unteroffiziere. Sie gingen zu Eckhold ins Zimmer. Wir schauten uns an, was das wohl werden sollte. Grizzly - Werner passte auf, dass es zu keiner Rudelbildung kam und wir unsere Arbeit machten. Da sah ich wie Bärbel hinter dem Rücken von Bär lang huschte. Sie wollte die Lehrbaracke verlassen. Bärbel war ebenfalls Lehrling, sie lernte Sekretärin und war direkt Eckhold bzw. Felgner unterstellt. Ich meldete mich ganz fix bei Bär ab, für einen Gang auf die Toilette und sah zu das ich sie noch erwischte. Bärbel war eine Nette, ich kam gut klar mit ihr und sie mit mir. Ich fragte Bärbel was das werden soll. Sie sagte mir, die saufen erst mal Schnaps bei Eckhold und dann sollen wir weich gekocht werden im Einzelgespräch für eine längere Armeezeit. Ich bedankte mich bei ihr, dachte prost Mahlzeit und verschwand erst einmal auf der Toilette. Im nu wusste jeder Bescheid und konnte sich selig und moralisch  auf das Gespräch vorbereiten. Als erstes mussten Andreas und Detlef dran glauben. Über eine Stunde waren sie weg. Andreas kam als erster wieder, er lächelte und schüttelte ganz leicht den Kopf, so dass es Bär nicht sah. Wir wussten, ihn hatten sie nicht weichgekocht. Die Nächsten waren Hagen und ich die in die Mangel mussten. Eckhold stellte uns den Offizier vor. Vom Dienstrang war es ein Leutnant. Die Unteroffiziere waren Feldwebel, 10 Ender. So hatte ich mir das Gespräch nicht vorgestellt. Der Offizier fragte mich, ob ich meinen Staat die sozialistische DDR lieben würde. Ich sagte ja, sie ist meine Heimat. Dann würde es mir ja Freude machen sie mit der Waffe in der Hand zu beschützen. Ich sagte wieder ja, für 1 1/2 Jahre, Eckhold griente. Der Leutnant fragte mich, woher ich die negative Einstellung zur sozialistischen Arbeiter und Bauern Armee hätte. Ich verbat mir solche Unterstellungen. Er könne ja mit vernünftigen Argumenten seinen Standpunkt darlegen und überhaupt was denn eine Armee wert sei die mit Bauernfängermethoden Soldaten und Unteroffiziere rekrutiere. Das hätte ich besser nicht sagen sollen, jetzt hatte ich ihn herausgefordert. Hagen machte es besser. Er blockte jede Unterhaltung mit den Unteroffizieren ab und hatte die Sache in einer halben Stunde hinter sich gebracht. Mich  beackerte der Leutnant fast zwei Stunden. Rede ergab Widerrede. Ich war fix und fertig. Ich bäumte mich auf und dachte, einmal sagst du noch nein zu drei Jahren Armee und wenn er dann weiter macht hat er dich. Ein letztes Mal widersprach ich, nein ich möchte keine drei Jahre zur Armee. Er schaut mich an und sagte, ich rede nicht von drei Jahren sondern von sondern von 10 bzw. 25 Jahren. Mir war als würde jemand einen Eimer mit kalten Wasser über mich schütten. Ich war plötzlich wieder in der realen Welt. Glasklar sah ich den Leutnant vor mir sitzen und schämte mich beinahe weich geworden zu sein. Wortlos stand ich auf und ging. Er rief mir irgendetwas hinterher, ich hörte nicht mehr hin. Draußen schaute Bernd mich mit großen Augen an, ich schüttelte den Kopf, er grinste. Für den Leutnant war es kein guter Tag. Nicht einen konnte er werben. Grußlos verließ er die Lehrbaracke.
In zwischen hatten wir nochmals 3 Doppelstunden Fahrschule. Es war wieder Prüfung. Es bestanden außer Kille und mir alle. Jetzt hatten wir noch eine Möglichkeit. Ich begann mir so langsam ernsthaft Gedanken zu machen. Zwei Tage später nahm mich Kille bei Seite und sagte, ich muss mit dir reden. Na dann schieß mal los. Kille fing an, ich habe einen guten Kumpel, den kennst du auch, er heißt Gerd und lernt in der MAFA Heidenau. Ich bestätigte ihm dass ich ihn kenne, er ging in unsere Parallelklasse. Ich hatte ihn kennen gelernt, als ich meine Stunden bei Krause nachbrummen musste. Was ist mit dem, fragte ich?? Er ist schon viele Jahre bei der GST und der Prüfer ist sein Onkel. Er hat die Antwortschablonen für die Prüfung. Er würde sie dir und mir rausrücken. Er hat gemeint du wärst in Ordnung. Ich war gerührt, das Kille mit an mich gedacht hat. Er hätte es ja auch für sich behalten können. Wir bestanden unsere Prüfung. Also hatte mir das nachsitzen bei Krause doppelt geholfen. Einmal hatte ich in der mündlichen Leistungskontrolle eine 1 bekommen und die Jungs von der Parallelklasse hatten den richtigen Eindruck von mir bekommen.
Einige Tage später musste ich zur Musterung. An diesem Tag brauchte ich nicht auf Arbeit. Die Musterung war in Dresden auf der Wiener Straße. Mit dem Fahrrad brauchte ich keine 10 Minuten dahin. Früh um 10.00 Uhr trabte ich an. Am Eingang war so eine Art Pförtner. Ich musste mich Ausweisen. Er fragte mich ob ich denn wüsste zu was ich gemustert würde. Vorsicht, dachte ich und sagte nein. Aber in unserem Lehrbetrieb werden alle auf Militärkraftfahrer vorbereitet. Na dann sieh mal zu das du keine drei Jahre zur Armee gehst, die Unteroffiziere werden ganz selten als Militärkraftfahrer eingesetzt. Ich dachte, was ist denn das für ein putziger Vogel. Kein Aas interessierte sich bei der Musterung wie lange ich zur Armee gehe. Da stand die ärztliche Untersuchung im Vordergrund. Ins Röhrchen pinkeln, nackig ausziehen, Vorhaut zurück, an den Eier spielen lassen. Ich war Kerngesund. Zum Schluss sagte man mir, dass ich damit rechnen kann im Großraum Erfurt stationiert zu werden. In zwei Stunden war die Musterung erledigt. Stolz war ich auf die Musterung, das war nächste Schritt nach der GST Ausbildung. Ich wollte unbedingt dazu gehören. Immer wieder sah ich die Bilder vor mir, der nach Hause kommenden Soldaten mit ihren EK – Tüchern um den Hals, wie sie singend, Bier trinkend und total happy auf den Bahnsteigen feiernd die Züge verließen.



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