Dienstag, 15. Februar 2011

Alltagstrott

Conny und ich trafen uns nun öfters. Sie war eine Lebenslustige. Das hieß aber noch lange nicht dass wir unsere Freunde vernachlässigten. Es wurde Ende Oktober. Am 1 November musste Hüni zur Armee. Wir beeilten uns mit Hüni seinem Opel Kapitän, dass er wieder in einen fahrbaren Zustand kam. Die Kiste war fenomänal, ein rießen Kahn mit geteilter Frontscheibe. Dort wo die Scheiben zusammen kamen, hing eine kleine Plastevase in einem Drahtgestell. In der Vase befand sich eine Kunstblume. Irgendwie erinnerte mich der Opel an die Autos aus dem Film „Manche mögen es heiß“. Lackieren wollte er sein Auto später. Es sollte schwarz und goldenfarben lackiert werden. Das würde gut zu so einem Schiff passen. Für die Reifen hatte er schon weiße Zierstreifen besorgt. Das Wochenende vor seiner Einberufung stand das Auto fertig da. Hüni lud uns zu einem größeren Umtrunk in die Mitropa ein. Ich druckste rum, dass ich mit Conny verabredet wäre. Er meinte nur, bring sie mit. Am Sonnabend 18.00 Uhr trafen wir uns zum Abendbrot. Wie sich im laufe des Abends rausstellte arbeitete Conny mit Hünis Vater in derselben Firma dem Kraftwerksanlagenbau. Hünis Vater war Ingenieur und Conny Sekretärin. Im übrigen war Conny die älteste von uns, sie war schon zwanzig.
In der Firma stand der Abschluss der GST Ausbildung an. Eckhold hatte eine Abschlusswanderung in die CSSR organisiert. Wir freuten uns gewaltig darauf. Im November war das Wetter zwar nicht mehr so gut aber das war uns egal. An einem nasskalten Freitag zogen wir los. Früh 08.00 Uhr trafen wir uns mit den Gießereilehrlingen am Bahnhof Heidenau Nord. So streng wie Eckhold in der Ausbildung war, bei Freizeitveranstaltungen, selbst wenn sie während der Arbeitszeit stattfanden, hatte er nie was gegen Alkohol, wenn es im Rahmen blieb. Bei den Gießern hatte ich da so meine Bedenken und tatsächlich im Zug ließen sie die Schnapsflasche greisen. Im Vorfeld der Wanderung sickerte durch, das Eckhold in irgend so ein böhmisches Dorf wandern wollte, wo es eine Kaiser Franz Joseph Kneipe geben sollte. Mich wunderte das, denn Eckhold war ja schon ein Dunkelroter. Genauso merkwürdig fand ich, dass man in einem sozialistischen Land dem Kaiser huldigte. Aber irgendwie fand ich es auch aufregend und war gespannt was uns da erwartete. Wir fuhren mit dem Zug in die sächsische Schweiz nach Schmilka. Dort stiegen wir aus und setzten mit der Fähre über auf die rechtselbige Seite. Gleich hinter Schmilka war der deutsche Grenzübergang. Der Tschechische war 1 km weiter. Die Tschechen nahmen es genau mit der Kontrolle. Man merkte sofort dass wir in einem anderen Land waren. Von den Leuchtreklamen in der DDR strahlten Floskeln wie der „ Sozialismus siegt“ und andere dumme Sprüche, bei den Tschechen machte Coca Cola Reklame. Ich fragte mich warum es so etwas nicht in der DDR gab. Ganz zu schweigen von dem Produkt selber. Ob die Cola besser war wie unsere Vita Cola, wusste ich nicht, es fehlten einem die Vergleichsmöglichkeiten. Billig war sie jedenfalls nicht diese Coca Cola. Die nulldreier Flasche kostete  bei den Tschechen etwa das 3 fache eines halben Liters Vita Cola. Dafür war mir meine Kronen zu schade. Für den einen Tag durfte man nur 20 Mark tauschen, das waren 60 Kronen. Die erste tschechische Ortschaft hinter der Grenze hieß Hrensko. Hier mündete die Kamnitz in die Elbe. Die Kamnitz durchfloss die Edmundsklamm, eine wildromantische Felsenschlucht. Der obere Teil war schiffbar für kleine Kähne. Wir wanderten in Richtung Klamm, um dann den ersten Weg rechts bergauf zu nehmen. Immer der Serpentine entlang verließen wir das Tal. Nach zwei Stunden Fußmarsch hatten wir diese ominöse Gaststätte erreicht. Auf einem Sockel in der Gaststätte stand eine Büste von Kaiser Franz Joseph auch sonst hing noch jede Menge Klimbim aus der k.u.k. Zeit in den Räumlichkeiten, ich fand es schon interessant. Das Essen brauchten wir nicht zu bezahlen, dass hatte Eckhold im Vorfeld erledigt. Es gab für alle Gulasch mit Knödel. Ich trank noch zwei halbe Liter vom guten böhmischen Bier. Der Rückweg ging direkt in die Klamm zu der Kahnanlegestelle. 20 Minuten dauerte die Kahnfahrt. Eine Stunde später hatten wir die Grenze wieder erreicht. Ich kaufte im Dorfkonsum noch zwei Flaschen tschechisches Bier. Eine für die Rückfahrt und eine für Vater. Im Zug heizte sich die Stimmung bei den Gießereilehrlingen auf. Sie hatten schon reichlich Alkohol intus und zu dem noch ihren Lehrmeister Hans Rückert mit. Eigentlich war Hans Rückert schon im Rentenalter, aber es gab nicht genug Lehrausbilder. So war man froh dass er noch länger arbeitete. Sein Spitzname war Alu Hans. Die Gießereilehrlinge fingen an unser „Betriebslied“ zu singen „Alu Hans gieß mir einen Aluzwerg“. Alu Hans fühlte sich dumm angemacht und diskutierte schräg rum. Der Streit eskalierte als die Politik ins Gespräch kam. Alu Hans war nicht nur ein Roter, er war Verfolgter des Naziregimes und hatte im KZ gesessen, hieß es zu mindestens. Sich mit solchen Leuten anzulegen war gefährlich. Sie genossen in der DDR nicht unerhebliche Privilegien und Einfluss. Einer der Lehrlinge, Frank Otto, bekam sich mit ihm richtig in die Wolle. Voller Wut brüllte er Alu Hans an, du rotes dreckiges Schwein. Alu Hans schrie zurück, die Lehre für dich hat sich erledigt, dafür sorge ich. Oh, Oh dachte ich nur, da ist der liebe Franky aber in der Klemme. Frank war so in Rage, dass er sich weiter schwer mit Alu Hans anlegte. Irgendeiner holte Eckhold, der brachte die Streithähne erst einmal zur Ruhe. Er sagte zu Frank, über deine Ausfälligkeiten gegenüber Herrn Rückert reden wir am Montag und zu Alu Hans sagte er, wer aus der Lehre fliegt, darüber bestimme immer noch ich. Frank kam mit einem Verweis glimpflich davon und er durfte seine Lehre beenden. Für den Ärger rächten sich die Gießereilehrlinge an Alu Hans. Er war bekannt für seine Sparsamkeit und seinem Geiz. Sie legten ein Zweimarkstück auf einen der Warmhalteöfen bis es so heiß war das man es nicht mehr anfassen konnte. Als er dann an dem Ofen vorbei lief schnippten sie das Geldstück vor seine Füße, hastig griff er danach…..
Es ging auf Dezember zu. Herr Meißner war der Vorarbeiter in der Härterei. Dank seines Geschicks war die Härterei weit über die Grenzen des Bezirks Dresden bekannt. Viele Betriebe aus Nah und Fern brachten ihre Werkzeuge zum Härten in unsere Firma. Wenn ich sage würde, Herr Meisner wäre von kräftiger Statur, wäre dies weit untertrieben. Jedenfalls besaß er Verwandtschaft ersten Grades in der BRD. Er hatte erstmals die Erlaubnis von den staatlichen Behörden der DDR erhalten, diese besuchen zu dürfen. Diese Erlaubnis zu bekommen war nicht einfach. Meistens wurden solche Anträge ohne Begründung abgelehnt. Ehe so eine Besuchserlaubnis erteilt wurde, überprüfte die Stasi erst einmal den Lebenslauf der betreffenden Person und nur wenn alles ins Schema f passte, wurde dem Anliegen zugestimmt. Freitag früh  wollte Meißner starten.
Montag früh in der Umkleidekabine wusste Zwiebel das Neuste vom Neusten zu berichten. Meißner war am Freitag auf dem Heidenauer Nordbahnhof umgekippt und sofort Tod, wahrscheinlich Herzinfarkt.
Alu Hans gieß mir einen Gartenzwerg
Mit ner Aluspritze und einer Alumütze


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