Montag, 14. Februar 2011

Die Fahrt in den Urlaub


Sonnabend ging es früh bei Zeiten aus dem Bett. 04.00 Uhr wollten wir starten. Mir brummte noch der Schädel vom Radeberger. Ich hatte zwar einige Bier am Vorabend getrunken aber solches Schädelbrummen bekam ich nur von dieser Sorte. Aus unserem Haus fuhr noch Familie Nähring mit. Leider kam ihr großer Sohn Andreas nicht mit, er war beruflich verhindert. Im Vorfeld der Reise hatte mein Vater mit Herrn Nähring die Fahrtroute ausgekaspert. Da Herr Nähring seinen Trabi und seine Fahrerlaubnis erst ein halbes Jahr hatte, wollte er genügend Zeit für die Reise eingeplant haben. Die Planung der Reise war gar nicht so einfach. Wir mussten ein Sondervisum für die Einreise in die 5 Kilometer Zone beantragen. Genauso wie in der DDR gab es diese Zone. Unser Urlaubsort hieß Vissy Brod und lag in der Nähe des Lipnostausees und den Grenzen zu Österreich und der BRD. Im Stausee selber wurde das Wasser der Moldau angestaut. Ich freute mich auf den Urlaub, die tschechischen Knödel mit Gulasch und vor allem auf das gute tschechische Bier. Urlaub im Ausland war immer etwas Besonderes.  Pro Tag und Person durften wir 20 Mark tauschen. Das hieß, es standen für jeden von uns 60 Kronen am Tag zur Verfügung. Auf der Sparkasse meldete Vater den Transfer an. Er musste mit der Urlaubsbescheinigung dort antraben. Außerdem hatte ich Vater noch einen 20 Liter Benzinkanister besorgt. Denn der Liter Benzin kostete im Nachbarland fast das Doppelte wie in der DDR, da musste man schon knapp 3 Mark pro Liter zahlen. Für noch mehr Kanister war Vater nicht zu überreden. Er hatte Angst vor der Zollkontrolle. Es war nur erlaubt 20 Liter mit auszuführen. Irgendwie war das komisch, Vater war kein ängstlicher Mensch aber wenn es um Dinge ging die mit unserem Staat zusammenhing kniff er immer. Vermutlicher Weise hing das mit seiner Arbeit zusammen. Er sagte öfters er wäre einer von zwei Nichtgenossen in seiner Abteilung und wenn er da was erreichen will, darf  er sich nichts zu Schulden kommen lassen. In seinen politischen Ansichten orientierte er sich immer an Willy Brand. Der war Bundeskanzler in der BRD. Das durfte er natürlich nie raushängen lassen. Mir war so etwas Wurst, ich wollte nichts vom Staat.
Wenn man mit dem Trabi auf Reisen ging, war ein Drittel des Gepäcks Ersatzteile. Es konnte immer etwas kaputt gehen. Beliebte Ersatzteile waren z. B. Spannband für den Lüfter, Halterung Lichtmaschine, Keilriemen und Zündkerzen inklusive Kabel und Stecker. Punkt 4.00 Uhr ging es los. Nährings nahmen ihren jüngsten Sohn Frank mit. Ich saß hinten im Trabi. Wenn Tobias mit fuhr musste ich immer hinten sitzen. Mir war es diesmal ganz recht, da konnte ich mich ausbreiten. Wir fuhren zum Grenzübergang Bahratal. Das war der niedrigste Punkt zwischen Elbsandstein – und Erzgebirge. Schon die alten Germanen wussten das und hatten hier auf ihren Wanderzügen das Gebirge gequert. So gegen 05.00 Uhr erreichten wir die höchste Stelle dieses Gebirgspasses. Sie befand sich schon auf tschechischer Seite. In der Morgendämmerung zeichneten sich die Vulkankegel des nordböhmischen Mittelgebirges ab. Der Höchste von ihnen war der Milleschauer mit reichlich 800 Meter. Ein wunderschöner Anblick, wie ein Scherenschnitt, so scharf wirkten die Konturen der Berge im Dämmerlicht. Ich schaltete das Kofferradio ein, noch empfing ich ostdeutsche Sender. Mit zunehmender Fahrdauer schwanden sie immer mehr. Ich schaltete das Radio auf Kassettenbetrieb und hörte Queen. Nach einer Weile meinte Vater, ich soll diese Hottentottenmusik ausstellen. Also machte ich die Kiste aus und ersparte mir so weitere Kommentare. Inzwischen hatten wir Lovisice erreicht. Dort stand ein riesiger Industriekomplex, völlig veraltet blies er gigantische  Dreckschwaden in die Luft, es stank im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Himmel. Als ich mit Roland und Hüni nach Prag gefahren bin, war uns die Dreckschleuder schon aufgefallen. Vater meinte das sind die ehemaligen Hermann Göring Werke. Hier wurden während des zweiten Weltkrieges Waffen produziert. Einige Kilometer hinter Lovosice bogen wir rechts Richtung Slany ab. Vater meinte die Stadt heißt mit deutschen Namen Schlan. Wir kreuzten mehrmals den Fluss Ohre. Ich fragte Vater ob er den deutschen Namen wüsste. Er sagte ja, es ist die Eger. Weiter ging es über Kladno nach Beroun. Kladno hatte eine gute Eishockeymannschaft. Sie spielte in der ersten tschechischen Liga. Wir sahen auf der Fahrt in den Böhmerwald viele verfallene Gebäude. Vater sagte, das hängt mit der Vertreibung der Deutschen nach dem Weltkrieg zusammen. Die Tschechen könnten mit den vielen leer stehenden  Gebäuden nichts anfangen. Was für eine verrückte Welt, hier können sie den vorhandenen Wohnraum nicht nutzen, weil es zu wenige Menschen gab und bei uns fehlt der Wohnraum. Hinter Beroun machten wir eine größere Rast. Vater hatte ein paar Schnitten geschmiert und Kaffee in die Thermoskanne gefüllt. Ich hatte mir Tee gekocht. Nachdem wir alle mal kurz in die Büsche verschwunden waren ging es weiter Richtung Budweis. Budweis war für mich neben Pilsen die Stadt des Bieres. Dort wurde das einzig wahre Budweiser Bier gebraut. Außerdem befand sich in Budweis die berühmte Schwejk Kaserne. Der tschechische Schriftsteller Haschek ließ seine Romanfigur Josef Schwejk in dieser Kaserne dienen. 20 km vor Budweis überholten wir einen alten Wehrmachtskäfer. Werweiß wo die Tschechen das olle Ding aufgetrieben hatten. Auf einmal polterte es gewaltig. Ich sah etwas wegrollen, die rote Kontrollleuchte im Trabi ging an, der Motor aus. Schimpfend ließ Vater den Trabi an den Rand rollen. Inzwischen waren die jugendlichen Tschechen mit ihrem Wehrmachtskäfer bei uns angelangt. Sie hatten das verlorene Autoteil aufgehoben und mitgebracht. Es war der Lüfter, das Spannband war gerissen. Es war bereits das dritte Mal, das dieses Band riss. Ich schaute mir das Lüfterrad an und stellte fest, dass es nicht ganz rund lief. Wahrscheinlich war das auch der Grund warum das Halterband öfters riss. Ich sagte es Vater. Der tickte gleich völlig aus und sagte ich sollte nicht laufend rum spinnen. Inzwischen hatten Nährings gewendet und waren wieder bei uns angelangt. Herr Nähring meinte, Karl lass doch deinen Großen in Ruhe, irgendetwas muss ja die Ursache sein, dass das Band reist. Inzwischen hatte Tobias sich den Keilriemen angeschaut, er war ganz schön lädiert. Tobias wollte KFZ Schlosser lernen, er interessierte sich schon immer für Autos. Während ich von oben das Spannband und den Lüfter hielt kroch Tobias unters Auto und schraubte das Band zusammen. Der neue Keilriemen wollte aber nicht wie Tobias wollte. Ich sagte mach den Alten noch mal drauf der ist vorgedehnt. Den Neuen kannst du ja in Vissy Brod drauf machen, da hast du mehr Zeit. Vater fing wieder an rumzujammern, wenn der nun reist, geht der Motor zur Minna. Tobias sagte so schnell geht der nicht kaputt. Nach einer Stunde war die Sache erledigt und wir konnten weiterfahren. Wir fuhren direkt an der legendären Schwejk Kaserne vorbei. Ohne uns zu verfahren lotsen Herr Nähring und Vater unsere Trabis durch Budweis, Richtung österreichische Grenze. Nach ungefähr 10 km kam der Abzweig nach Cesky  Krumlov. Um nach Vissy Brod zu kommen hätten wir auch über Böhmisch Krumau fahren können, aber da waren wir uns einig, wir wollten die österreichische Grenze sehen. Unterwegs überholten uns Biker mit ihren Shoppermaschinen. Es waren Österreicher. Fotos hatte ich ja schon genug verkauft von solchen Maschinen, jetzt sah ich sie das erste Mal live. Auf einmal stand mitten auf der Landstraße Polizei. Sie winkten uns Ostdeutschen aus dem Verkehr. Der Polizist versuchte krampfhaft zu erklären dass wir hier nicht lang fahren dürften. Wir kramten unserer Visa raus. Der Polizist konnte damit nicht viel anfangen. Ich hatte den Eindruck er sah so etwas zum ersten Mal. Er ging zu seinem Vorgesetzten. Nach 10 Minuten durften wir weiterfahren. Dann tauchte er endlich auf, der Grenzübergang Wullowitz. 200 Meter vorher bog die Landstraße ab nach Vissy Brod. Wir fuhren ganz langsam und schauten nach Österreich, es war ganz nah und doch so weit. Ich sah wie die Biker gerade an der Grenze kontrolliert wurden. Vater sagte von hier sind es keine 50 km mehr nach Linz. Er gab wieder Gas, weiter ging es die letzten Kilometer zum Urlaubsort.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen