Montag, 14. Februar 2011

Familienleben.

Das Familienleben war nicht einfach so ohne Mutter. Da musste Wäsche gewaschen werden, Abwasch, sauber machen, Essen kochen…. Da nützten die dicksten Westpakete nichts, davon wurde die Arbeit auch nicht weniger. Frau Wobser half ab und an Mal, sie war eigentlich sehr hilfsbereit. Vater gab ihr hin und wieder  „Kleingeld“ aber ich denke sie hätte auch so geholfen.
Das Verhältnis zu meinem Bruder war nie das Beste. Er wurde stets und ständig bevorzugt und er nutzte es weidlich aus. Es gab Momente da hasste ich ihn dafür. In der Regel war es dann, wenn mich meine Eltern erniedrigten, oftmals war es Mutter, und er sich hinstellte und den dicken Max rausstreckte. Früher hatte ich ihn dafür verprügelt. Meistens ging er dann petzen. Gäbe es eine Weilmeisterschaft in petzen, er wäre Weltmeister geworden. Dann kriegte ich die Retourkutsche, die reichte von Schlägen über Stubenarrest bis zu Strafarbeiten. Meine Mutter kannte da ein sehr breites Spektrum, dafür kein Erbarmen. Tobias freute sich für gewöhnlich darüber. Seine altklugen Kommentare dazu: Das hast du dir selber zu zuschreiben. Dafür titulierte ich ihn mit Ausdrücken, wie Dicker, Brillo, oder Brillenschlange. Wollte ich mal freiwillig helfen, hieß es hau ab, du bist sowie so zu dumm für solche Arbeiten. Mit der Zeit stumpfte man ab, die Beschimpfungen erreichten einen nicht mehr. Ich verdrückte mich einfach. Seit dem Mutter ausgezogen war hieß es, du kannst auch mal was machen. Auf einmal war man nicht mehr zu blöd für solche Arbeiten. Tobias passte mein ganzer Lebensstil nicht. Es störte ihn dass ich in die Kneipe ging, dass die Wohnung für mich nur noch ein Ort des Übernachtens geworden war. Er verstand einfach nicht, dass ich ausbrechen wollte  aus dem Mief der Kindheit, aus dem kaputten, verlogenen Elternhaus und sagte ihm ganz deutlich meine Meinung zu dem Thema. Das gefiel ihm natürlich nicht und irgendwann eskalierte dann der Dauerstreit ganz extrem. Er nahm einen riesigen Kerzenständer aus Stahl und schleuderte ihn aus zwei Meter Entfernung mir ins Gesicht. Wie ich es geschafft hatte weis ich nicht, vermutlich war es ein Reflex, der mir das Leben rettete, ich bekam meinen rechten Arm noch schützend vor den Kopf. Der Ständer hatte den Fußboden noch gar nicht richtig erreicht, da zimmerte ich die linke Faust meinen Bruder mit voller Wucht ins Gesicht. Ich traf ihn punktgenau auf die rechte Augenbraue, sie platzte durch den Schlag auf. Das Blut lief in strömen über sein Gesicht. Erschrocken über die Gewalt und das Blut kamen wir zur Besinnung. Mir zitterten vor Aufregung die Knie. Normalerweise spürt man nach der Abwehr eines Schlages Schmerzen in den betroffenen Körperteilen, genauso wie beim Austeilen eines Faustschlages. Ich spürte danach nichts und auch Tage später nicht. In dem Faustschlag lag wohl die ganze Verzweiflung und Wut über meine verkorkste Kindheit, die Angst um mein Leben, wenn der Kerzenständer mich getroffen hätte. Vermutlicher Weise hatte diese Aktion soviel Adrenalin in meinem Körper freigesetzt, das ich von alldem nichts spürte. Mit einem Pflaster brachten wir die Blutung zum stillstand. Wir beschlossen Vater nicht zu sagen, wie es wirklich passiert war. Ein paar Wochen später, Vater war mal wieder auf Dienstreise, machte Tobias das Abendessen. Er haute sich ein paar Eier in die Pfanne. Ich war in der Stube und hörte es brutzeln. Auf einmal gab es einen ohrenbetäubenden Knall. Ich rannte in die Küche. Mein Bruder stand schlotternd vor dem Gasherd. Ich rief, Mensch Dicker was war denn los?? Er sagte die Backröhre flog auf und eine gewaltige Stichflamme kam heraus. Als erstes drehte ich den Gashahn zu. Dann schaute ich mir den Gasherd an und stellte fest, dass der Backofen nicht abgestellt war sondern auf ganz kleine Flamme stand. Ich fragte ihn, wie er den Gasherd in Betrieb genommen hätte. Er sagte er hat den Gashahn aufgedreht und dann die Flamme auf dem Herd angezündet. Vater hatte gestern Abend als letzter den Backofen benutzt. Er hatte den Regler in die falsche Richtung gedreht und den Gashahn abgestellt. Während mein Bruder die Eier in der Pfanne briet, sammelte sich das ausströmende Gas in der Backröhre, so lange bis es explodierte. Da hatten wir noch mal großes Glück gehabt, das hätte auch anders enden können. Ein weiterer Höhepunkt in unserem Familienleben ließ nicht lange auf sich warten. Tobias löffelte Vater voll, in der Tonart wie er gewöhnlich mit mir redete. Vater passte es nicht, er mahnte ihn anders zu reden. Tobias interessierte es nicht, er machte in der Tonart weiter. Vater holte aus und wollte seinem Liebling eine runter hauen. Doch der duckte sich und Vater schlug mit seiner Hand auf die Küchenkante. Die Hand schwoll sofort an. Die Schwellung ging nicht weg, dafür ging Vater zum Arzt. Die Hand war gebrochen, sie musste gegipst werden. So kam nie lange Weile bei uns auf. Ein weiteres Highlite war das Waschen meiner Arbeitswäsche. Gott sei Dank hatte Erna Vater einen Waschvollautomaten gekauft. Die Waschmaschine sah nach dem Waschen wie ein leeres Ölfass aus. Vater verdonnerte mich dann immer zum säubern der Maschine. So richtig wohl fühlte ich mich zu Hause nie, eigentlich wollte ich immer weg.

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