Dienstag, 15. Februar 2011

Die Armee

Die Armeezeit prägte immer mehr unser Leben. Eigentlich fing es schon während der Schulzeit an. Wer wollte konnte ab der sechsten Klasse in die GST eintreten. Luftgewehrschießen war schon was Geiles für uns Knirpse. Vater verbot mir in die GST zu gehen. Er meinte, schießen lernst du noch zeitig genug. Ich war natürlich sauer darüber. Becki hatte es da aus meiner Sicht besser, seine Mutter gestattete ihm den Eintritt. Sie war froh dass Andreas von der Straße kam. 
In der siebenten Klasse hatten wir im Fach Staatsbürgerkunde Frau Gringmuth als Lehrerin. Sie lag mit ihren Ansichten und Äußerungen dermaßen weit links, dass sie schon wieder rechts um die Ecke schaute.  Zwei drittel der Klasse erstarrte vor Angst, etwas Falsches zu sagen. Sie wusste immer jede Menge Räuberpistolen über das schöne Leben bei der NVA zu erzählen. Ihre ehemaligen Schüler, die Meisten, wären in ihren politischen Ansichten so gefestigt und gereift, das sie mit Freude länger dienen würden oder bei Spezialeinheiten ihren Dienst versehen durften. Das erste Mal baute sich bei mir ein innerlicher Widerstand auf, zu den länger Dienenden wollte ich nie gehören. Dieser Faden zog sich bis in die Lehre. Die ersten Freunde und Kumpels wurden gezogen, während ihres Urlaubs erzählten sie das Neuste von der Armee. Der Erwartungsdruck wurde bei mir größer, ich wollte dazu gehören, hatte aber gleichzeitig auch Angst vor dem was da kam. Die Erzählungen der Kumpels klangen wie aus einer anderen Welt herüber. EK – Bewegung, versoffene Vorgesetzte, kein Alkohol für Soldaten in der Kaserne, Schwedt, mieses Essen das hörte sich wirklich nicht gut an. Anderseits sah ich die russische Armee, da wusste man, es kann noch schlimmer kommen.
Im April sagte Roland zu mir, es wird Zeit dass wir mal Hüni besuchen. Ich freute mich schon darauf und kaufte eine kleine Flasche Schnaps, blauäugig wie ich war. In Döbeln gab es mehrere Kasernen. Natürlich landeten wir erst bei der Falschen. Aber die Soldaten am KDL (Einlass) waren in Ordnung. Hüni hatte grüne Schulterstücke. Sie wussten in  welcher Kaserne die Soldaten mit den grünen Schulterstücken dienten und beschrieben uns den Weg. An Hünis Kaserne angelangt gingen wir wieder zum KDL. Diesmal hatten wir kein Glück, irgend so ein Unteroffizier empfing uns recht unfreundlich. Zu wenn wir wollten - zu Herrn Hünersen sagte ich. Hier gibt es nur Dienstränge, blaffte er mich an. Böse sagte Roland woher sollen wir das wissen? Auf alle Fälle haben sie ihn vor einem halben Jahr zur Armee gezogen und das nicht als General. Der Unteroffizier schaute uns genervt an aber er klemmte sich hinters Telefon und telefonierte rum. Nach einer Weile sagte er mit einem hämischen Lachem im Gesicht, Soldat Hünersen hat eine Strafarbeit zu verrichten, wir sollen in zwei Stunden wieder kommen. Nach einer reichlichen Stunde tauchten wir wieder auf. Die Wache hatte gewechselt der Idiot war fort. Die Neuen waren ganz manierlich, einer von ihnen schaffte Hüni in kürzester Zeit herbei. Hüni hatte im Vorfeld zwar gewusst das wir kommen aber sein Ausgang war gestrichen worden. Fast nur Bekloppte hier, meinte er. Also gingen wir ins Besucherzimmer. Hüni sah alles locker. Er sagte nur, sie hätten ihn öfters mal am Hintern wegen irgendwelchen Mist. Ich reichte ihm die kleine Flasche Schnaps unter dem Tisch. Hüni meinte der Unteroffizier hätte sie uns weggenommen, denn er wäre berechtigt gewesen uns zu kontrollieren. Manchmal muss man eben Glück haben. Darauf nahm Hüni einen ordentlichen Schluck aus der Flasche. Nach zwei Stunden mussten wir gehen. Hüni brachte uns zum KDL. Gemeinsam mit der Wache vernichtete er die Flasche und wir fuhren gemütlich nach Hause.
Ungefähr einen Monat später kam Hüni übers Wochenende auf Kurzurlaub. Im Vorfeld hatten wir uns ausgemacht ins Erzgebirge zum Tanz zu fahren. Am späten Nachmittag holten wir Hüni von zu Hause ab. Er sah nicht besonders gut aus. Geplagt von Zahnschmerzen hatte er eine halbe Flasche Schnaps getrunken gemischt mit Faustan. Wir fuhren nach Bärenstein, aber die Disco viel aus. Weiter ging es nach Geising, auch hier war nichts los aber wenigstens erfuhren wir, in Lauenstein ist Tanz. Also fuhren wir zurück nach Lauenstein. Im goldenen Löwen war Oldidisco. Roland und ich staunten nicht schlecht, Hüni schwang wie ein wilder sein Tanzbein und das in seinem Zustand. Zwischenrein trank er ja auch immer noch Bier.
Drei Wochen später bimmelte das Telefon, Hüni rief aus der Kaserne an. Du Mülli, ich habe hier einen Zettel in meinem Portmonaise gefunden mit der Adresse von so einem Trutenfuss. Die kann ich nur in Lauenstein kennen gelernt haben. Weist du noch wie die aussah?
Ich musste lachen. Das er sich nicht mehr erinnern konnte wunderte mich nicht und sagte zu ihm, wenn es die war mit der du den ganzen Abend zusammen warst, ist es eine ganz Hübsche.
Das schöne Kind hieß Sylvia.

Spaniens Himmel breitet seine Sterne
Über unsere Schützgräben aus
Und der Morgen grüßt schon aus der Ferne
Bald geht es zum neuen Kampf hinaus*
*Lied Ernst Busch


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