Dienstag, 15. Februar 2011

November und Dezember 77

Das Jahr neigte sich dem Ende. Es verging wie im Flug. Anfang November hatte ich die Ausbildung an den Drehbänken abgeschlossen, mit der Note 2. Ich war stolz darauf. Genau wie im ersten Lehrjahr wechselte ich an die Schleif und Hobelmaschine bzw. Shaping. Der Unterschied zwischen einer Hobelmaschine und einer Shaping war folgender: Bei der Hobelmaschine war das Werkstück beweglich gelagert und bei einer Shaping das Werkzeug. Auf einer Hobelmaschine wurden in erster Linie große Teile bearbeitet und auf einer Shaping kleinere Teile. Hobelmaschinen gab es keine im Druckguss. Shapings dagegen gab es mehrere im Betrieb. Meine Einstellung zum Schleifen hatte sich nicht geändert, die Schleifmaschine und ich werden wohl niemals Freunde werden.
Conny 21
Erstmals um die Zeit schlug ich bei Conny zu Hause auf. Ihre Eltern waren ebenfalls geschieden. Das Scheiden schien ein Hobby der DDR Bürger zu sein. Weltweit gab es kein Land dass eine Scheidungsquote wie die DDR vorzuweisen hatte. Mit Sicherheit war ein Faktor der zu dieser hohen Quote führte, dass es ohne große Schwierigkeiten möglich war sich scheiden zu lassen. Conny wohnte bei ihrer Mutter. Frau Heinze war eine Endfünzigerin und sah in der Realität noch ein Stück älter aus. Vermutlicher Weise lag es  an den schweren Arbeitsbedingungen, denen sie ausgesetzt war. Sie arbeitete in einer Stahlgießerei unweit ihrer Wohnung in Heidenau Süd. Schon wenn man an der Firma vorbei lief dachte man, so muss das Eingangstor zur Hölle aussehen. Über die vielen Jahre des Allein seins hatte sie ein Art Affenliebe zu ihrer Tochter entwickelt und sah in mir weniger den Freund von Cornelia als den Konkurrenten um sie. Dem entsprechend entwickelte sich das Verhältnis zwischen ihr und mir. Ich sagte mir, man kann eben nicht alles haben. Es war mir Wurst, mit Conny war es schön und im Bett war sie auch keine Faule. Im Gegenteil, man konnte von ihr noch so manches lernen. Wir beide genossen das Leben in vollen Zügen. Hin und wieder kam sie sogar mit, wenn ich in die Mitropa ging. Aber meistens schlugen wir in irgendwelchen Discos auf. An dem Wochenende vorm ersten Advent entschlossen wir uns, in das Clubhaus Niedersedlitz zu gehen. Als wir den Tanzsaal betraten war Herbert mit seiner Clique zufälliger Weise ebenfalls dort. Laut Mülli, Mülli rufend lotste er uns an seinen Tisch. Nach einer reichlichen Stunde legte der männliche Teil von unserer Truppe die Knete auf den Tisch um zu sehen, was noch an Bier möglich war. Um ehrlich zu sein, es sah traurig aus, es reichte für keine Runde mehr. Conny meinte nur, kein Problem und zückte einen 50ziger. Der Abend war gerettet.
Ende November fragte Roland mich ob ich mit ihm wieder mal nach Geising zum Tanz fahre, ich könnte ja Conny mitnehmen. Ich hatte wohl Lust nach Geising zu fahren aber ich hatte keine Lust Conny mitzunehmen. Also sagte ich zu ihr, pass auf meine Gute ich muss die nächsten zwei Samstage für die Fahrschule Nachtfahrten machen, damit ich zur Prüfung zugelassen werde. Sie wusste ja nicht, dass ich die Fahrerlaubnis schon längst in der Tasche hatte. Wie immer, wenn wir dort oben aufschlugen saßen wir an der Tafel der Altenberger. Roland meinte nach dem zweiten Samstag, es ist doch Quatsch das du Cornelia die Taschen voll haust, nehm sie doch einfach das nächste Mal mit. Auf den Weg in den Tanzsaal beichtete ich ihr, dass ich mit der Fahrschule ihr die Taschen gefüllt hatte. Sie schaute mich an und meinte, es ist gut dass du mir die Wahrheit sagst. Wir gingen wieder zu den Altenbergern, ich stellte ihnen Conny vor. Wie  bei den letzten Tanzveranstaltungen war auch Kerstin wieder mit ihrem Freund anwesend. Scheinheilig fragte sie mich, wie lange ich denn Cornelia schon kenne? Ungefähr zwei Monate sagte ich. Laut, damit es ja alle hören konnten, fragte sie wieder, warum ich denn dann die letzten Male alleine hier war? Mit einem Schlag wurde es ruhig an der Tafel, man hätte die berühmte Stecknadel fallen hören können. Conny sagte ganz gelassen, sie wäre verhindert gewesen. Wir schauten uns an und grinsten. Kerstin war sichtlich enttäuscht. An den Tischen setzten die Gespräche wieder ein.
Was ist denn das für eine, fragte Conny? Ich erklärte es ihr.
Anfang Dezember kam Heinz das erste Mal auf Kurzurlaub von der Armee nach Hause. Er war schmal im Gesicht geworden. Sie hatten ihn gleich am Anfang der Ausbildung von Rudolstadt nach Dittrichshütte versetzt. Diettrichshütte war ein kleines Dorf ungefähr 20 km von Rudolstadt entfernt und war berüchtigt bei den Grenzern für seine harte Ausbildung. Im Volksmund hieß das Dorf Schleiferhütte. Ich fragte Heinz, wie es Weihnachten mit einem kleinen Päckchen wäre und ob er eine Möglichkeit sähe es am Spieß vorbei zu schmuckeln. Das war ich Heinz irgendwo schuldig. Er hatte mir im Laufe seiner Arbeitstätigkeit öfters preisgünstig Zigaretten besorgt, legal und illegal.
Eine Woche später schrieb er mir, dass es gut aussieht. Er könne sein Paket direkt auf der Poststation in der Kaserne abholen, da bekommt es der Spieß nicht in die Hände. Also kaufte ich zwei Flaschen Wodka Lunikow und öffnete sie erst einmal. Ich füllte den fehlenden Schluck Wodka im Flaschenhals mit Wasser auf und verschraubte die Flaschen wieder. Auf diese Art und Weise vermied man das Gluckern in der Flasche, wenn das Paket geschüttelt werden sollte. Dies war notwendig, Alkohol war für einfache Soldaten in der Kaserne strengstens verboten. Pakete durften nur der Spieß bzw. höher gestellte Offiziere zur Kontrolle öffnen. Die einfachen Unteroffiziere durften es nicht. Aus diesem Grund versuchten sie oftmals durch schütteln herauszubekommen, ob irgendwelche Flüssigkeiten geschickt wurden. Im Anschluss an die Prozedur verpackte ich die Flaschen in einen Pappkarton sorgfältig mit Holzwolle und schickte die kleine Weihnachtsüberraschung los. Kurz darauf bekam ich Post von Heinz, es war alles klar gegangen.
Weihnachten stand wieder vor der Tür. Diesmal freute ich mich, den Vater hatte erlaubt, dass Conny einen Feiertag mit bei uns war. Der Feiertag war seit langen wieder einmal ein entspannter für mich. Obwohl Conny keine Studierte war, ließ Vater sich nicht anmerken, dass einfache Menschen für ihn nicht akzeptabel waren. Am nächsten Tag war ich mit bei Connys Mutter. Für einen Tag war ich nicht ihr Hausfeind.
Genau wie im letzen Jahr hatten wir es versäumt uns um Silvesterkarten zu kümmern. Conny wusste da Rat. Ihr Ex – Freund hatte gute Beziehung zum Heidenauer Hof. Dieser befand sich bei Conny gleich um die Ecke. Er besorgte uns drei Karten. So feierten Roland, Conny und ich gemeinsam Silvester. Früh um 2.00 Uhr brachte ich Conny nach Hause. Roland und ich fuhren mit der S-Bahn nach Dresden.
                                              
Schon als ich auf die Welt kam
Traf es meine Mutti hart
Eigentlich sollte ich ein Mädchen werden
Daher der Damenbart
         Sollte Heidemarie heißen
Doch in jener Nacht hat mich meine Mutti zum Heinz gemacht*

 *Lied  Der Gruppe MTS


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