Montag, 14. Februar 2011

Die praktische Fahrprüfung

Das Leben ging weiter. Wenn man jung ist erreicht einen der Stein der Zeit, der alle Wunden heilt, relativ schnell. Es gelang mir eigentlich ganz gut dieses Ereignis bei Seite zu schieben. Ich nahm mir vor, irgendwann werde ich sie in meinem Leben einmal aufarbeiten, die ganzen Fakten und Umstände, die zu dem tragischen Ereignis geführt hatten. Aber jetzt standen die Lehre und die Fahrschule an und beides musste bestanden werden. Der Lkw war zurück aus Berlin. Ich konnte wieder fahren. Ich war einer der Letzten  von uns Lehrlingen der die Fahrprüfung noch nicht hatte. Hinrichs sagte zu mir, er bräuchte einen Fahrschüler damit er seine „ außerplanmäßigen Fahrten “erledigen kann. Mir stank das gewaltig, es zerrte an den Nerven. Irgendwann hatte Hinrichs mir erzählt, das seine Kinder Kaugummi mit den man Blasen machen kann mögen, er aber schwer an solche Sachen herankommt. Logisch solche Sachen bekam man nur im Intershop gegen Devisen. Ich sagte zu Hinrich, wenn ich die Fahrprüfung noch in diesem Monat über die Bühne bekomme, schenke ich jedem eine Riesenpackung Kaugummis. Hinrichs bekam leuchtende Augen und meinte wir werden sehen. Erst einmal müsse er mit mir übermorgen noch eine Fahrt erledigen. Früh 7.00 Uhr stand er mit dem Lkw vorm Werkstor und quatschte mit jemand. Hinrichs sagte das ist Peter, wir fahren jetzt in seinen Betrieb. Peter nahm auf der Pritsche platz und ich hinterm Lenkrad. Wir fahren jetzt nach Schwarze Pumpe, ich dachte ich hätte mich verhört, Hinrichs nuschelte immer so und fragte, Schwarze Pumpe? Ob ich was an den Ohren hätte meinte Hinrichs, er hätte es klar und deutlich gesagt. Klar und deutlich, der spinnt ja, der müsste sich mal reden hören. Überhaupt was will er dort? Schwarze Pumpe war eine riesige Kokerei – und Chemiebude ungefähr 100 km von Heidenau entfernt. Hinrichs lotste mich über die Landstraßen zu der gigantischen Firma. Einen Kilometer vor Schwarze Pumpe musste ich auf der Pritsche platz nehmen, Peter fuhr. Ich sollte mich dahinten ruhig verhalten und keinen Mucks von mir geben. Man oh man, machten die das wieder spannend. Am Eingangtor hielten wir, Peter ging zum Pförtner. Ich hörte nur leises murmeln, verstanden hatte ich nichts. Nach fünf Minuten ging es weiter, kreuz und quer durch das imposante Firmengelände. Riesige Schornsteine bliesen ihren Rauch in die Luft, Kleinere fackelten ihre Abgase einfach ab. Der Lkw hielt vor einem Bürogebäude. Hinrichs sagte zu mir sie hätten hier was zu erledigen, ich könnte inzwischen absitzen. Gemächlich kletterte ich vom Lkw und zündete mir eine Zigarette an. Ein zufällig vorbeikommender Arbeiter blaffte mich in einer Tonart an, die meinen Adrenalinspiegel in die Höhe steigen ließ. Ob ich 50 Mark bezahlen will? Angesäuert meinte ich, wie er denn darauf kommt? Ringeln in die Luft blasen aber nicht lesen können, schnauzte er weiter rum. Der hat doch eine totale Meise dachte ich und sagte, wenn sie was von mir wollen sagen sie es mir aber in einem anständigen Ton. Ruhiger werden sagte er, am Eingangstor steht ein riesiges Schild, das Rauchen im ganzen öffentlichen Betriebsgelände bei Strafe von 50 Mark verboten ist. Na toll dachte ich, da hätte Hinrichs mir ja mal was sagen können. Ich entschuldigte mich bei dem Arbeiter und machte meine Zigarette aus. Er konnte ja nicht wissen, dass ich auf der Pritsche des Lkw`s gesessen hatte, als wir in das Betriebsgelände fuhren. Als Hinrichs kam machte ich mir Luft, er lachte nur. Wir fuhren weiter in dem Gelände bis wir zu einem gewaltigen Holzstapel gelangten. Hinrichs hielt, zu dritt fingen wir an Holz zu laden. Es war gehacktes gutes getrocknetes Holz. Eine reichliche Stunde benötigten wir, dann endlich war der Lkw voll. Ich musste wieder auf der Pritsche platz nehmen, mühsam kroch ich hinter dem Holzstapel. Beim verlassen des Werksgelände prangte am Eingangstor dieses ominöse Schild, das jedem das Rauchen im öffentlichen Gelände verbot. Auf dem Rückweg fuhren wir Autobahn, ich saß wieder hinter dem Lenkrad. In Heidenau mussten wir das Holz noch abladen. Als wir fertig waren sagte Hinrichs ganz beiläufig, am Samstag hast du Prüfung. Ich fuhr mit dem Zug nach Hause. Die Vorfreude auf meine Fahrprüfung wich der Ernüchterung. Mir viel ein am Freitag war Polterabend. Aus unserem Haus heiratete Roswitha. Sie war zudem noch eine ehemalige Klassenkameradin von mir und die Schwester von Heinz. Da würde es hoch hergehen.
Hinrichs hatte mir gesagt 05.30 Uhr sollte ich mich am Sonnabend auf dem GST Stützpunkt einfinden um den Lkw zu holen. Ich war richtig bedient. Da musste ich mit dem Zug 04.30 Uhr bis Heidenau Großsedlitz fahren und anschließend noch eine halbe Stunde laufen.
Freitag 19.00 Uhr schlugen Roland, Becki und ich beim Polterabend auf. Nach ihrer Trauung würde Roswitha mit dem Familienname Groß heißen. Ihr Mann Walter war ein langer Schlacks und bestimmt einen Kopf größer wie ich. Er war ein ganz symphatischer Typ. Es nützte nichts, ich musste mich auf der Feier mit alkoholischen Getränken zurückhalten. Der Polterabend ging bis früh um 02.00 Uhr. Eine halbe Stunde später viel ich in den Schlaf. Um 04.00 Uhr ging es wieder aus den Federn, ich schmeckte den Alkohol noch ganz deutlich. So ein Mist, da hatte ich doch ein paar Bier zuviel getrunken. Fix steckte ich den Kopf unter die Brause, die Müdigkeit wich und ich konnte den ersten klaren Gedanken fassen. Beim Zähneputzen vielen sie mir ein, die Pfefferminzkaugummis. Die würden heute besonders wichtig sein. Bevor ich los marschierte schmierte ich mir Schnitten für unterwegs und packte  mir eine Cola ein. Ich musste mich beeilen, dass ich den Zug nicht verpasste. Im Zug machte ich es mir gemütlich, verspachtelte meine Knifften und trank dazu einen Schluck Cola. Fünf vor fünf stieg ich aus dem Zug und latschte die 3 Kilometer bis zum Stützpunkt. Hinrichs war schon da und speckerte rum, wo ich denn bleibe. Ich schluckte seine dumme Bemerkung runter und sah zu dass ich nicht zu nah an ihn ran treten musste, Hauptsache er merkt nichts vom Restalkohol. Er drückte mir die Schlüssel für Fahrzeug und Garage in die Hand und meinte ich soll den Hänger schon mal an den Lkw hängen. Gemächlich stieg ich ins Fahrzeug und ließ den Motor an. Es dauerte zwei, drei Minuten bis er genug Luft im Kessel hatte, erst dann ließ sich die Handbremse lösen. Langsam fuhr ich aus der Garage und rangierte den Lkw vor den Hänger. Ich stieg aus um die Deichsel auf die richtige Höhe zu bringen. Ein Fahranfänger wie ich einer war, benötigte schon ein bisschen Glück, damit alles beim ersten Mal klappte. Vorsichtig fuhr ich zurück bis ich die Hängerkupplung schnappen hörte. Hinrichs schloss die Druckluftschläuche vom Hänger an den Lkw und ich die Elektrik. Wir überprüften die Lichtanlage, eine Glühbirne vom Stopplicht am Hänger mussten wir wechseln und dann ging es los. Der Prüfer wohnte in Lohmen, eine kleine Stadt am Rande der Sächsischen Schweiz. Auf dem Weg dorthin impfte mir Hinrichs ein, ich sollte immer 10 km/h unter der erlaubten Höchstgeschwindigkeit fahren. Ein besonderer Tick von Herrn Martin dem Prüfer, er ist der Meinung als Fahranfänger hat man rücksichtsvoll und langsam zu fahren. In Lohmen wendete ich den Lkw wieder in Richtung Pirna. Hinrich meinte das hätte ich gut gemacht, wenn ich dann so fahre, ist die Sache gelaufen. Wir hielten vordem Haus von Martin. Dieser war bei der Gartenarbeit und wollte in seinem Garten gerade Beton für die neue Terrasse mischen. Martin hatte schlichtweg den Termin vergessen. Dementsprechend sauer und mürrisch erschien er und lauerte auf Fehler. Dauernd starrte er auf den Tacho. In Pirna musste ich durch die schmalen Gassen der Altstadt. Das Fenster runtergekurbelt schaute er ob ich in den Kurven mit dem Hänger die Bordsteinkanten tuschierte. Ich fuhr vorsichtig und kam gut durch. Auf dem Weg nach Heidenau kamen wir auf die Schnellstraße, hier durfte man 60 fahren. Ich beschleunigte den Lkw auf 50 km/h. Martin bekam einen Schreikrampf, ob ich denn noch normal wäre als Fahranfänger so zu rasen. Das war mir dann doch zufiel und sagte das ich kein Verkehrshindernis sein möchte. Selbst bei der theoretischen Ausbildung waren wir darauf hingewiesen wurden. Erstaunlicher Weise sagte Martin auf einmal nichts mehr. Er lotste mich in den Fahrübungsgarten der GST. Ich wusste bis dato gar nicht, dass es so etwas gab. Hier sollte ich mit dem Lkw samt Hänger rückwärts bis auf 2 Meter an eine Wand fahren. Mir wurde heiß, so etwas hatte ich mit Hänger auch noch nicht gemacht. Ich fuhr eine Schleife, so dass ich mit dem Fahrzeugheck im Rechten Winkel zur Wand stand. Bevor ich rückwärts stieß, stieg ich aus und schaute wie viel Meter ich Rückwarts noch fahren musste. Ich schätzte 4 Meter. Martin stand auf der Beifahrerseite. Ich ging auf der Fahrerseite zurück und zählte schnell 4 Schritte von der Stoßstange Richtung Hänger ab und markierte die Stelle im Staub. Langsam fuhr ich zurück und blieb an der Markierung stehen. Martin packte einen Zollstock aus, den hatte er noch vom Betonieren einstecken, und maß den Abstand zur Wand. Ich dachte, du Drecksack, 2,50 Meter zur Wand, da konnte er nichts sagen. Ich musste den Hänger abkoppeln und weitere diverse Fahrübungen absolvieren und zum Schluss den Hänger wieder ankoppeln. Die Druckluftschläuche gingen dermaßen straff anzuschließen, das Hinrichs mit helfen musste. Martin meinte mit Hinrichs und Gottes Hilfe hätte ich die Fahrprüfung bestanden. Ich hörte ihn förmlich plumpsen, den Stein von meinem Herzen. Martin schnappte sich den Lkw und verschwand. Hinrichs und ich liefen Richtung Bahnhof. Aufgeregt meinte er, das mit Fahrgarten hatte Martin noch nie gemacht, ich hätte ihm nicht widersprechen dürfen. Mir war es egal, bestanden ist bestanden. Allerdings musste ich noch bis zu meinem 18. Geburtstag warten, dann konnte ich sie abholen die Fahrerlaubnis.
Am nächsten Montag kam Hinrichs und wollte die versprochenen Großpackungen Kaugummi abholen. Das war typisch für ihn, er hätte ja mal was sagen können, das er kommt. Als ob man so etwas auf Arbeit rum liegen hätte. Da musste er halt noch einmal wiederkommen, was er auch tat.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen