Dienstag, 15. Februar 2011

Abschlussprüfung

Die Abschlussprüfungen standen an. Die Lehrer machten ihre Vorzensuren fertig. Das war Lehrer Krauses große Stunde. Den hatte ich zwei Jahre lang in schöner Regelmäßigkeit geärgert. Er schaute sich die Zensuren an und wollte als erstes die Vorzensur für den besten Schüler festlegen. Ich hörte gar nicht hin, denn der Beste, da war ich mir sicher, konnte ich nicht sein, drehte mich um und schwatzte mit Bernd. Auf einmal sagte Krause, der beste Schüler in meinem Fach sind sie Müller. Ich fühlte mich nicht angesprochen, schließlich gab es ja noch zwei andere Müller in der Klasse und schwatzte munter weiter. Krause hob seine Stimme, Müller ich rede mit ihnen. Bernd sagte, du der meint dich. Ich drehte mich zu Krause und sagte, das kann gar nicht sein, ich habe doch bei den Leistungskontrollen immer bei Löffel abgeschrieben, der muss auf alle Fälle besser sein wie ich. Die Klasse johlte vor Freude. Ich war ehrlich überrascht, das hatte ich nicht erwartet. Krause meinte zu mir, Müller sie stehen auf 1,5, wenn ich ihnen eine 1 als Vorzensur gebe können sie von der Prüfung befreit werden. Das würde ich in der Klasse jeden gönnen, nur ihnen nicht. Bei diesen Worten blühte er auf, sein fahles Gesicht bekam richtig Farbe und er lächelte dabei wie frisch verliebt. Sie bekommen bei mir eine 2 als Vorzensur. Innerlich ärgerte es mich schon aber anmerken lassen wollte ich mir das nicht. Treuherzig schaute ich ihn an und sagte, das betrachte ich als angemessen. Die Klasse lachte wieder. Auch in den anderen Fächern stand ich so, das selbst wenn ich eine Prüfung total verhaute, nicht durchfallen konnte. Das beruhigte meine Nerven.
In einer der Hofpausen standen Bernd und ich wieder auf dem Schulhof rum und rauchten. Dabei schauten wir auf die Gottleuba. Diese führte bedrohlich viel Hochwasser. Die Straßenbrücke stand kurz vor der Überspülung und dann würde das Wasser auch in den Schulhof laufen. Bei Herschel war das Hochwasser Thema in der nächsten Stunde. Aller 25 Jahre käme es so schlimm und die wären jetzt um. Er konnte sich noch an das Letzte gut erinnern. Das mit den 25 Jahren hatte ich schon des Öfteren gehört. Auch mein Vater erzählte einmal davon. Da hatte es ganze Häuser fortgerissen und es soll damals viele Tote gegeben haben. Aus diesem Grund hatte die Talsperrenverwaltung der DDR am Oberlauf der Gottleuba eine Talsperre errichten lassen. Vor knapp zwei Jahren war sie gerade noch rechtzeitig fertig geworden. Gar nicht auszudenken wie es hier aussehen würde, wenn es die Talsperre nicht gäbe. Ursache für das Hochwasser, hieß es, wären fehlende Bäume in den Kammlagen des Erzgebirges, wo der Fluss entsprang. Die Bäume waren dem Raubbau der zwanziger und dreißiger Jahre zum Opfer gefallen. Neuaufforsten war schwierig. Die Abgase der Industrieanlagen im Böhmischen Becken auf tschechischer Seite ließen ganze Wälder sterben und Besserung war nicht in Sicht. In der DDR versuchte man rauchresidente Bäume zu züchten. Aber man war noch beim experimentieren. Der Erfolg ließ auf sich warten.
In zwischen schrieben wir die ersten Prüfungsarbeiten. Immer einen Tag vor der Prüfung schaute ich mal flüchtig in den Hefter, um meine Erinnerungen aufzufrischen. Nur im Fach Werkzeugmaschinenkunde mühte ich mich mehr. Bei Herschel wollte ich schon mit einer zwei auf dem Zeugnis die Schule beenden, was ich auch schaffte. Bei Krause hatte ich die Prüfung verhauen, ich schrieb eine vier. Krause war es bestimmt ein Genuss mir eine drei auf dem Abschlusszeugnis zu verpassen. In der letzen Stunde bei Herschel lobte er unseren guten Zensurendurchschnitt. Wir wären ein ganzes Stück besser, wie seine eigene Klasse. Auch Herr Schrader unser eigentlicher Klassenlehrer war stolz auf uns. Er fragte nicht nur mich ob wir Lust hätten zu studieren. Da gäbe es nach erfolgreichen Lehrabschluss Möglichkeiten. Von Vorteil wäre es natürlich sich für eine längere Dienstzeit bei der Armee zu entscheiden. Ich verspürte auf einmal keine Lust mehr zu studieren.
Jetzt galt es Abschied zu nehmen von den Thüringern. Zwei Jahre waren geschafft. Das letzte halbe Jahr ihrer Lehrzeit würden sie im Feingusswerk Lobenstein beenden. Es war von Anfang an klar das es so kommen würde aber der Abschied viel mir verdammt schwer. Ein Trost blieb, zur Freisprechung würden sie noch einmal zwei Tage nach Dresden kommen. Einen Tag bevor sie nach Hause fuhren, gingen wir noch mal einen richtig schweppern.

Lass es laufenden Berg hinunter
Lass es laufen durchs Tal
Gott hat dem Fluss den Weg gegeben
Sicher tut er es nicht noch einmal
Bitte lass ihn ungestört
Das Wasser weiß selbst wo es hin gehört*
*Lied der Gruppe Keimzeit

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