Montag, 14. Februar 2011

Die Lehrkameraden


von links nach rechts Bernd 17, Thomas 17, Thomas 17

Nach dem Aufteilen in die zwei Lehrgruppen begann das eigentliche Abtasten und Kennen lernen. Ich war etwas aufgewühlt, denn von den neuen Mitstreitern kannte ich niemand. Die Anderen kannten sich wenigstens mehr oder weniger flüchtig. Es stellte sich heraus, das ich der einzige Dresdner war. Die meisten kamen aus Heidenau bzw. Pirna und Umgebung. Dazu kamen noch die drei Thüringer vom Feingusswerk Lobenstein, die ihre Ausbildung im Druckguss erhielten. Denn das Feingusswerk hatte keine eigene Lehrausbildung. So wurden die Thüringer aus dem Bezirk Gera mit in Heidenau ausgebildet. Für die nächsten zwei Jahre wurden sie in einem Internat in Heidenau untergebracht. Das Internat befand sich am Stadtrand auf einem Berg nahe am Lugturm. Früh fuhr noch kein Bus, sie mussten jeden Morgen 3 bis 4 Kilometer zur Arbeit laufen. Als echte Bergbewohner machte ihnen das ja wenig aus, so spotteten wir zumindest. In kürzester Zeit freundete ich mich mit zwei von den drei Burschen so richtig gut an. Vor allem mit Bernd, er war der Vorlauteste und Frechste aber auch der beste Kumpel mit dem man durch dick und dünn gehen konnte. Er war ungefähr einen halben Kopf kleiner als ich und trug seine schwarzen Haare schulterlang, wie es gerade Mode war. Der andere von den beiden hieß wie ich, Thomas. Das war ein ganz ruhiger Typ und wirkte unheimlich, wie ich kann keinem etwas zu Leide tun. Aber er hatte es Faust dick hinter den Ohren, machte jeden Blödsinn mit und war dabei eiskalt. Sein ganzes Wesen bracht ihn den Spitznamen Dompfaff ein. Er war wie ich etwa 1,80m groß aber viel kräftiger. Bei meiner Größe mit 65 Kilo war das ja auch nicht schwer. Der dritte im Bunde hieß Jürgen. Er saß in der Berufsschule neben mir, war ein ganz ruhiger verschlossener Typ mit mädchenhaften, weichlichen Gesichtszügen. Jedes Wort musste man ihm aus der Nase ziehn. Er war hoch intelligent, was sich positiv auf meine schulischen Leistungen auswirkte. Zu Hause in Lobenstein lebte er allein mit seiner Mutter und wirkte irgendwie weltfremd. Seine beiden Thüringer nannten ihn einfach Löffel. Also nannte ich ihn auch Löffel. Irgendwann fragte ich Bernd, woher denn dieser Spitzname kommt. Er schaute mich mit großen erstaunten Augen an und meinte, guck ihn dir doch einfach an. Der heißt schon seit seiner Schulzeit so. Ein leises Unbehagen beschlich mich, wenn er auch ein Sonderling war, schlecht war er ja deswegen nicht. Aber ganz schnell unterdrückte ich dieses Gefühl und meinte, das mit dem Löffel geht in Ordnung.
Dann waren da noch die Heidenauer, die beiden schon erwähnten Cousins Rainer Funke und Rainer Berthold, Andreas Geißler, Detlef Müller, Hagen Schröder, von der anderen Elbseite aus Pratschwitz Uwe Schewior und aus dem Erzgebirgsvorland der lange Schmittl, der mit bürgerlichen Namen Steffen Schmidt hieß und aus dem kleinen Ort Mühlbach stammt. Aus Pirna kamen Uwe Becker, Uwe Killenberg und Frank Eishold.
Rainer Funke war ein ruhiger, sachlicher, sympathischer Mensch, dem die praktische Arbeit leichter viel, wie die Schulische. Rainer hätte sich niemals getraut über die Stränge zu schlagen, obwohl es ihn manchmal juckte. Aber in der Firma arbeiteten seine Eltern und sein großer Bruder. Die hätten ihm schon was erzählt, wenn er Mist gebaut hätte. Das wäre sofort rum gewesen in einem Betrieb mit ca. 200 Mitarbeitern. Wurde er doch mal von den Lehrmeistern gemahnt, lief er hoch rot im Gesicht an und wurde ganz verlegen. Seine Kopfform brachte ihn den Namen Zwiebel ein. Rainer Berthold, kurz genannt Berze, war da ein ganz Anderer. Er war vom Charakter eckig, rau, geradeaus. Mit dem Mund immer etwas voraus. Ihn störte es überhaupt nicht, dass sein älterer Bruder ebenfalls in der Firma arbeitete. Von der Statur war er nur ein klein wenig kleiner wie ich aber ein richtiger Muskelprotz. Anfangs hatte ich unheimlich Probleme mit seiner Art und Weise aber das hatten wir dann ganz schnell bei einer Rauferei geklärt. Was er an Muskelkraft mir überlegen war, machte ich durch Schnelligkeit weg. Da Kraft immer noch Masse mal Beschleunigung ist, zeigte ich ihm wo der Nagel hing. Seid dem kamen wir prima mit einander aus. Der lustigste von uns war Andreas Geißler, seine Scherze, Spötteleien und sein Blödsinn begannen schon am Spind und endeten auch dort. Seine Spöttereien waren eigentlich niemals verletzend, wir nahmen es mit Humor, es war schließlich jeder Mal dran und was ihn eigentlich so richtig sympathisch machte, er konnte selber auch jede Menge Spott vertragen. Auf Grund seines Familiennamens riefen wir ihn manchmal Ziegenvater.
Detlef war der Frauentyp. Was die Mädels anging hatte er das Sagen. Da kannte er sich richtig gut aus. Wo er sich ebenfalls gut auskannte war die Musik, er spielte unter anderem Gitarre und Schifferklavier bzw. Pandonium. Für mich gab`s da keinen großen Unterschied, mein Ding war es jedenfalls nicht. Detlef war manchmal ein bisschen überheblich, wegen der Frauen und so. Aber ansonsten war er ein prima Kerl.
Hagen Schröder, ich denke mal, er hatte es am schwersten von uns allen. Mit einem Zeugnisdurchschnitt von 1,2 kam er zu uns. Ein super Zeugnis. Er brach gleich am Anfang der Lehre völlig ein in der praktischen, wie in der theoretischen Ausbildung. Zwiebel erzählte uns, er ging mit ihm 10 Jahre in eine Klasse, seine Mutter kam wegen jeden Pups in die Schule gerannt. Hatte Hagen mal in den Hauptfächern eine 2 nach Hause gebracht, tauchte sie sofort bei der Lehrerin auf und machte Theater. Er brach nicht nur ein, er brach auch innerlich von zu Haus aus. Er war derjenige von uns, der sich dem größten Wandel stellte und das machte ihn Stück für Stück stark. Nach reichlich zwei Jahren hatte er den Anschluss an uns geschafft.
Uwe Schewior der alte Pratschwitzer, ihm ging es ähnlich wie Zwiebel. Sein Vater arbeitete als Betriebshandwerker im Druckguss. Er hieß nicht nur Ernst, er war auch ein ernster Mensch. Ein paar mal erlebte ich, wie er Uwe den Kopf gerade rückte. Für ihn war es auch selbtverständlich, sich des Öfteren bei den Lehrmeistern über den Entwicklungsstand seines Sohnes zu erkundigen. Schon bei dem Gedanken mein Vater würde so etwas machen, wurde mir schlecht. Ich war recht froh dass mein alter Herr, weit, weit weg war. Schmidt Steffen, unser Langer, er war ein ruhiger, zurückhaltender, einfach nur netter Typ. Er lebte bei seiner Mutter, sie war geschieden. Da Steffens Oma in Dresden Hellerau wohnte, fuhren beide ab und an Früh mit mir im Zug. Ich glaube Steffen hatte viel von seiner Mutter mitbekommen, sie war eine lange, schlanke Frau mit einem sehr angenehmen Äußeren und einem ebensolchen Wesen. Manchmal beneidete ich ihn um seine Mutter. Uwe Becker, aus Pirna Copitz, war ein richtiger Kumpeltyp. Mit ihm hatte ich nie Schwierigkeiten, er war immer locker drauf. Machte sich wenig draus, wenn ihn die Ausbilder oder die Lehrer am Hintern hatten. Uwe Killenberg, kurz genannt Kille, sein Anblick trieb mir immer ein Lächeln ins Gesicht. Er war lang, dürr und hatte ganz dicht gekräuseltes Haar. Nach der Mode trug er sie lang. Er sah um die Haare aus wie der junge Michael Jackson, oder wie ein aufgeplatztes Sofakissen. Vom Wesen war er eher ein ruhiger, manchmal ein bisschen alberner, aber charakterlich gefestigter Mensch.
Frank Eishold, aus Pirna – Kritzschwitz, war genauso wie Kille, etwas größer wie ich. Er war ein kantiger, manchmal sturer und bockiger Typ. Aber man konnte sich hundertprozentig auf  ihn verlassen und das wollte was heißen.
Ja dann war da noch ich, der Dresdner, mir fiel die praktische Arbeit nicht besonders leicht, im Gegensatz zum Schulischen. Ich musste mir alles hart erarbeiten. Den Tiefpunkt erlebte ich mit Beginn des 3 Ausbildungsjahres. Die Anpassung an die Produktion viel mir schwer. Der Umgangston war rau und nicht besonders herzlich, dazu später. Unter den Lehrkameraden genoss ich einen guten Ruf.  Man kann getrost sagen, wir waren eine dufte Truppe, wie man sie selten erlebt. Das bekamen auch die Lehrmeister zu spüren, denn wir hielten zusammen wie Pech und Schwefel.

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